06 - Denn keiner ist ohne Schuld
wie eine riesige Menge Brotteig. Die Berührung war etwa so erotisch wie der Griff in einen Batzen trocknenden Lehms.
»Na, da wird Ihnen der Mund wäßrig, was, Süßer? Hm?«
Ihre Wimpern waren stark getuscht. Sie bildeten Halbmonde von Fliegenbeinen auf ihren Wangen. Ihr Busen hob und senkte sich mit einem zitternden Seufzer, und Zwiebelgeruch wehte ihm ins Gesicht. »O gehörnter Gott, mach ihn bereit«, murmelte Rita. »Mann zur Frau, Pflug zum Feld, Wonnespender und Kraft des Lebens. Aaahiooouuu.«
Er spürte ihre Brustwarze unter seiner Hand, groß und aufgerichtet, und sein Körper rührte sich trotz der abschreckenden Vorstellung... Er und Rita Yarkin... Dieser Wal im knallroten Turban... Diese Fettmassen, diese schwammigen Finger, die seinen Arm hinaufglitten, sein Gesicht küßten und seine Brust hinunterzuspazieren begannen...
Er zog seine Hand weg. Sie riß die Augen auf. Ihr Blick wirkte benommen und glasig, aber nach einem kurzen Kopfschütteln waren ihre Augen wieder klar. Sie musterte sein Gesicht und schien darin zu lesen, was er nicht verbergen konnte. Sie kicherte leise, dann lachte sie, lehnte sich gegen die Arbeitsplatte in der Küche und brüllte vor Lachen.
»Sie haben gedacht... Sie haben gedacht... ich und Sie... O Wellen des Ozeans...«
Unaufhörliches Gelächter zwischen abgerissenen Worten. Tränen bildeten sich in den Falten ihrer Augen. Als sie sich endlich wieder gefaßt hatte, sagte sie: »Ich hab Ihnen doch gesagt, Mr. C. Shepherd, wenn ich was von einem Mann will, dann hol ich's mir von einem Stier.«
Sie schneuzte sich in ein schmutziges Geschirrtuch und streckte ihm ihre Hand hin. »Kommen Sie. Her damit. Keine Gebete mehr, damit Sie sich noch in die Hose machen, Sie Armer.«
»Ich muß gehen. «
»Ach was.«
Mit den Fingern schnalzend, verlangte sie nach seiner Hand. Noch immer blockierte sie den Ausgang, darum gehorchte er nun doch, zeigte aber durch seine Miene klar, wie wenig dieses Spielchen nach seinem Geschmack war.
Sie zog ihn mit sich zum Spülbecken, wo das Licht besser war. »Gute Linien«, sagte sie. »Klare Kennzeichnung von Geburt und Heirat. Die Liebe ist...«
Sie zögerte stirnrunzelnd und zupfte zerstreut an einer ihrer Augenbrauen. »Stellen Sie sich hinter mich«, befahl sie.
»Was?«
»Machen Sie schon. Schieben Sie Ihre Hand unter meinem Arm durch, so kann ich sie mir besser ansehen, aus der richtigen Perspektive.«
Als er zögerte, schnauzte sie: »Los, das soll kein Witz sein. Machen Sie schon.«
Wieder gehorchte er. Infolge ihrer Leibesfülle konnte er nicht sehen, was sie tat, doch er fühlte ihre Fingernägel auf seiner Handfläche, wie sie einzelne Linien nachzeichneten. Schließlich klappte sie seine Hand zur Faust zusammen und ließ sie los.
»Tja«, sagte sie lebhaft. »Da war nicht viel zu sehen nach Ihrer ganzen Anstellerei. Nichts als das Übliche. Nichts Wichtiges. Nichts, weshalb Sie sich Sorgen machen müßten.«
Sie drehte den Wasserhahn über der Spüle auf und machte sich umständlich daran, drei Gläser auszuwaschen, in denen Milchreste eine Haut gebildet hatten.
»Sie halten sich vorbildlich an die Vereinbarung, nicht wahr?« fragte Colin.
»Wie meinen Sie das, Süßer?«
»Sie halten die Klappe, wie Sie so schön gesagt haben.«
»Ist doch sowieso nichts. Sie glauben doch nicht daran.« »Aber Sie, Rita.«
»Ich glaube an vieles. Das heißt noch lang nicht, daß das alles Realität ist.«
»Zugegeben. Dann sagen Sie mir jetzt, was Sie gesehen haben. Lassen Sie mich selber urteilen.«
»Ich dachte, Sie hätten was Wichtiges zu tun, Mr. Constable. Wollten Sie nicht eben dringend weg?«
»Sie weichen der Antwort aus.«
Sie zuckte die Achseln.
»Aber ich will eine Antwort haben.«
»Man kann nun mal nicht alles haben, was man will, Süßer, auch wenn Sie's im Moment im Überfluß kriegen.«
Sie hielt eines der Gläser ans Licht. Es war noch fast genauso schmutzig wie vorher. Sie nahm die Flasche mit dem Spülmittel und gab ein paar Tropfen hinein, nahm einen Schwamm und begann das Glas ernsthaft zu säubern.
»Was soll das heißen?«
»Stellen Sie sich doch nicht dümmer, als Sie sind. Sie sind doch ein schlauer Bursche. Überlegen Sie mal.«
»Ach, und das haben Sie aus meiner Hand gelesen? Wie praktisch für Sie, Rita. Erzählen Sie das auch den Dummköpfen, die Sie in Blackpool dafür bezahlen, daß Sie ihnen ihre Zukunft voraussagen?«
»Moment mal, ganz ruhig«, sagte sie.
»Das geht doch alles nach dem
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