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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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gleichen Muster, dieser ganze Hokuspokus, den Sie und Polly veranstalten. Steine deuten, Hand lesen, Tarotkarten legen. Das ist doch alles nur ein Spiel. Sie nützen eine menschliche Schwäche dazu aus, um an Geld zu kommen.«
    »Ihre Dummheit ist gar keine Antwort wert.«
    »Ja, klar, das ist auch so eine Taktik, stimmt's? Man hält die andere Wange hin, verpaßt aber dem Gegenüber trotzdem noch einen Schlag. Schaut so Ihre tolle Religion aus? Vertrocknete Weiber, die vom Leben nichts mehr zu erwarten haben und dafür das Leben anderer kaputtmachen? Ein Zauber hier, ein Fluch dort, was macht es schon, wenn dabei jemand verletzt wird, es erfährt ja keiner außer den anderen Angehörigen eurer Gemeinschaft. Und ihr haltet natürlich alle den Mund, nicht wahr, Rita? So ist das doch unter Hexen der Brauch.«
    Sie fuhr fort, die Gläser zu waschen, eines nach dem anderen. Sie hatte sich einen Fingernagel eingerissen. An einem anderen war der Lack verkratzt. »Liebe und Tod«, sagte sie. »Liebe und Tod. Dreimal.«
    »Was?«
    »Das hat Ihre Hand gezeigt. Nur eine Ehe. Aber dreimal Liebe und Tod. Tod. Überall. Sie gehören der Priesterschaft des Todes an, Mr. Constable.«
    »Na klar.«
    Sie drehte den Kopf nach ihm, fuhr jedoch fort zu spülen. »Es steht in Ihrer Hand, Jungchen. Und die Handlinien lügen nicht.«

16
    St. James war in der vergangenen Nacht am Ende seiner Weisheit gewesen. Er hatte im Bett gelegen und durch das Oberlicht zu den Sternen hinaufgesehen und über die schreckliche Vergeblichkeit der Ehe nachgedacht. Er wußte, daß dieses in Zeitlupe Mit-ausgebreiteten-Armen-Aufeinanderzulaufen-sich-glückselig-in-die-Arme-Sinken-Ausblendung, diese Zelluloidfassung menschlicher Beziehungen, den Romantiker, der in jedem wohnte, dazu verleitete, ein Glücklich-und-Zufrieden-bis-ans-Ende-aller-Tage zu erwarten. Er wußte auch, daß die Realität des Lebens Schritt um Schritt gnadenlos lehrte, daß dieses Glücklich-und-Zufrieden, wenn es sich überhaupt einstellte, niemals für länger blieb und man, wenn man auf sein vermeintliches Klopfen die Tür öffnete, immer damit rechnen mußte, statt seiner von Brummig-und-Zornig oder einer ganzen Schar anderer überrannt zu werden. Es war manchmal schon sehr entmutigend, sich mit den Widrigkeiten des Lebens herumschlagen zu müssen. Gerade als er sich sagen wollte, die einzig vernünftige Art, mit einer Frau umzugehen, sei, strikt den Mund zu halten, schob sich Deborah von der anderen Seite des Betts an ihn heran.
    »Es tut mir leid«, flüsterte sie und legte ihren Arm über seine Brust. »Du bist mein Traummann Nummer eins.«
    Er wandte sich ihr zu. Sie drückte ihre Stirn an seine Schulter. Er legte seine Hand in ihren Nacken, fühlte ihr schweres Haar und ihre zarte Haut.
    »Da bin ich sehr froh«, flüsterte er. »Weil du nämlich mein Herzblatt Nummer eins bist. Du warst es immer, und du wirst es immer sein, das weißt du.«
    Er spürte, daß sie gähnte. »Es ist schwierig für mich«, murmelte sie. »Ich sehe den Weg vor mir, aber der erste Schritt ist unendlich schwer. Ich komm einfach nicht zurecht damit.«
    »So ist das mit den meisten Dingen. Ich vermute, das ist unsere Art zu lernen.«
    Er legte seinen Arm um sie. Er merkte, wie sie in Schlaf glitt. Er hätte sie gern zurückgerufen, statt dessen jedoch gab er ihr einen Kuß auf die Stirn und ließ sie ziehen.
    Beim Frühstück jedoch blieb er vorsichtig. Gewiß, sie war seine Deborah, aber sie war sprunghafter als die meisten Frauen. Eben dies, das Unerwartete, war eines der Dinge, die er im Zusammenleben mit ihr genoß. Da brauchte nur in einem Zeitungsartikel angedeutet zu werden, die Polizei konstruiere möglicherweise einen Fall gegen einen IRA-Verdächtigen, und schon geriet sie in hellen Zorn und brachte es fertig, eine Foto-Odyssee nach Belfast oder Derry zu organisieren, um »sich mit eigenen Augen zu vergewissern, was eigentlich los ist«. Ein Bericht über Tierquälereien trieb sie auf die Straße hinaus, um sich einem öffentlichen Protestmarsch anzuschließen. Hörte sie von Diskriminierung gegen Aidskranke, so suchte sie sofort das nächste Hospiz auf, wo man Freiwillige nahm, die den Patienten vorlasen, sich mit ihnen unterhielten, ihnen Gesellschaft leisteten. So war er von einem Tag auf den nächsten niemals ganz sicher, in was für einer Stimmung er sie vorfinden würde, wenn er zum Mittagessen oder zum Abendessen aus seinem Labor herunterkam. Das einzig Sichere am Zusammenleben mit

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