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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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nie verraten. Sie waren ihr kostbar gewesen. Und nun sah sie sich dem Verdacht des Londoner Polizisten ausgesetzt, daß eben das, was für sie an ihrer Freundschaft mit Mr. Sage das Besondere gewesen war, zu seinem Tod geführt hatte.
    Das war der Wurm, der sich unter dem letzten Stein wand, den sie umgedreht hatte. Sie war schuld. Und wenn das zutraf, dann hatte ihre Mutter genau gewußt, was sie tat, als sie dem Pfarrer an jenem Abend sein Essen aufgetischt hatte.
    Nein. Maggie begann sich selbst zu widersprechen. Ihre Mutter konnte nicht gewußt haben, daß sie ihm Giftwasserschierling vorgesetzt hatte. Sie tat anderen Gutes. Sie schadete ihnen nicht. Sie machte Salben und Umschläge. Sie mischte besondere Tees. Sie braute Elixiere und Tinkturen. Alles, was sie tat, tat sie, um zu helfen, nicht um zu schaden.
    Allmählich drang das Geflüster ihrer Schulkameraden zwischen Maggie s Gedanken.
    »Sie hat den Mann vergiftet.«
    »... doch nicht ungestraft davongekommen.«
    »Die Polizei ist extra aus London gekommen.«
    »... Teufelsanbeter, hab ich gehört, und...«
    Maggie begriff plötzlich. Dutzende von Augen waren auf sie gerichtet. Blitzten vor Neugier und Spekulationen. Sie drückte die Tasche mit ihren Schulbüchern an ihre Brust und sah sich nach einem Freund oder einer Freundin um. Sie hatte das Gefühl, als hätte ihr Kopf überhaupt kein Gewicht, als schwebte er schwerelos über ihrem Körper. Und auf einmal war es das Wichtigste von der Welt, so zu tun, als hätte sie keine Ahnung, wovon sie alle redeten.
    »Habt ihr Nick gesehen?« fragte sie. Ihre Lippen fühlten sich steif an. »Oder Josie?«
    Ein Mädchen mit einem Fuchsgesicht und einem großen Pickel an der Nase machte sich zur Sprecherin. »Die wollen nichts mit dir zu tun haben, Maggie. Die sind schlau genug, um zu wissen, wie riskant das wäre.«
    Beifälliges Gemurmel folgte den Worten des Mädchens und verklang. Die Gesichter schienen sich näher an Maggie heranzuschieben.
    Sie hielt ihre Schultasche fester. Die spitze Ecke eines Buchs grub sich in ihre Hand. Sie wußte, daß die anderen sie nur neckten - Freunde neckten einen doch immer, wenn sich eine Gelegenheit bot -, und sie richtete sich gerade auf, um der Herausforderung zu begegnen. »Klar«, sagte sie mit einem Lächeln, als sei sie amüsiert. »Logisch. Jetzt sagt schon. Wo ist Josie? Wo ist Nick?«
    »Die sind schon weg«, sagte das Mädchen mit dem Fuchsgesicht.
    »Aber der Bus...«
    Er stand da, wo er immer stand, nur wenige Meter entfernt, innerhalb des Schultors. An den Fenstern waren Gesichter zu sehen, aber Maggie war zu weit weg, um erkennen zu können, ob ihre Freunde dabei waren.
    »Die haben was anderes ausgemacht. In der Mittagspause. Als sie's erfahren haben.«
    »Als sie was erfahren haben?«
    »Bei wem du warst.«
    »Ich war bei gar niemand.«
    »Klar, klar. Wer's glaubt, wird selig. Du lügst ungefähr genauso gut wie deine Mutter.«
    Maggie wollte etwas sagen, aber die Zunge klebte ihr am Gaumen. Sie machte einen Schritt in Richtung Bus. Die Gruppe ließ sie gehen, rückte aber hinter ihr enger zusammen. Sie konnte hören, wie die Jungen und Mädchen miteinander sprachen; sie taten so, als unterhielten sie sich nur untereinander, in Wirklichkeit jedoch galt jedes Wort ihr.
    »Die sind mit einem Auto weggefahren, hast du das gewußt?«
    »Nick und Josie?«
    »Ja, und das Mädchen, das ihm schon lang hinterherläuft. Du weißt schon, wen ich meine.«
    Sie machten nur Spaß. Sie machten bestimmt nur Spaß.
    Maggie ging schneller. Aber der Schulbus schien sich immer weiter zu entfernen. Vor ihm tanzte ein Lichtreflex, der in glitzernde Punkte zerfiel.
    »Der wird ihr von jetzt an bestimmt aus dem Weg gehen.«
    »Ja, wenn er schlau ist. Würde doch jeder tun.«
    »Stellt euch das mal vor. Wenn ihre Mutter ihre Freunde nicht mag, lädt sie sie einfach zum Essen ein.«
    »Wie im Märchen. Möchtest du vielleicht einen schönen Apfel, mein Kind? Da schläfst du besser.«
    Gelächter.
    »Nur wirst du leider so schnell nicht wieder aufwachen.«
    Gelächter. Gelächter. Der Bus war zu weit weg.
    »Hier, iß das. Ich hab's extra für dich gekocht. Nur für dich allein.«
    »Nimm dir ruhig noch mal. Ich seh dir doch an, daß es dir todesgut schmeckt.«
    Maggie fühlte ein heißes Brennen in der Kehle. Der Bus schimmerte, schrumpfte, wurde ganz klein. Die Luft schloß sich um ihn und verschluckte ihn. Nur das schmiedeeiserne Tor der Schule war noch da.
    »Es ist mein eigenes

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