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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sehen, ob die Polizeibeamtin sie beobachtete.
    An der ersten Ecke bogen sie rechts ab. Ein kurzes Stück die Straße hinunter gelangten sie an einer weiteren Rechtsbiegung zu einem Fußweg, der zwischen den Rückfronten der öffentlichen Gebäude und den ungepflegten Hintergärten einer Reihe Sozialhäuser hindurchführte. Dann ging es wieder den Hang hinunter, und keine fünf Minuten später erreichten sie den öffentlichen Parkplatz von Clitheroe. Er war um diese Zeit fast leer.
    »Woher hast du gewußt, daß sie einen Hund hat?« fragte Maggie.
    »Ich hab einfach geraten. Reines Glück.«
    »Du bist schlau. Und gut. Ich liebe dich, Nick. Du kümmerst dich um mich.«
    Im Schutz der öffentlichen Toilette blieben sie stehen. Nick blies sich in die Hände. »Heut nacht wird's kalt werden«, sagte er und sah in Richtung Ort, wo Rauch aus den Kaminen aufstieg und sich am Himmel verlor. »Hast du Hunger, Mag?«
    Maggie verstand, was hinter den Worten steckte. »Du kannst ruhig nach Hause gehen.«
    »Nein. Nur wenn du...«
    »Ich geh nicht.«
    »Dann geh ich auch nicht.«
    Sie schwiegen beide. Der Abendwind hatte aufgefrischt. Ungehindert blies er über den leeren Parkplatz und schlug ihnen Papierfetzen um die Füße.
    Nick grub eine Handvoll Kleingeld aus seiner Hosentasche. Er zählte. »Zwei Pfund siebenundsechzig«, sagte er. »Was hast du?«
    Sie schlug die Augen nieder, sagte: »Nichts«, sah dann rasch wieder auf. Sie gab sich Mühe, in stolzem Ton zu sprechen. »Du brauchst nicht zu bleiben. Geh nur. Ich komm schon zurecht.«
    »Ich hab dir doch schon mal gesagt...«
    »Wenn sie mich mit dir zusammen findet, wird's für uns beide nur noch schlimmer. Geh doch nach Hause.«
    »Kommt nicht in Frage. Ich bleibe.«
    »Nein. Ich möcht nicht schuld sein. Ich hab sowieso schon so viel Schuld... wegen Mr. Sage...«
    Sie wischte sich das Gesicht mit dem Mantelärmel. Sie war todmüde und wollte nur schlafen. Sie versuchte, die Toilettentür zu öffnen, aber sie war abgeschlossen. Sie seufzte. »Geh nur«, sagte sie wieder. »Du weißt, was passieren kann, wenn du's nicht tust.«
    Nick stellte sich zu ihr in die etwas tiefer liegende Türnische der Damentoilette. »Glaubst du das wirklich, Mag?«
    Sie ließ den Kopf hängen. Das schreckliche Wissen lag ihr schwer und drückend auf den Schultern.
    »Glaubst du im Ernst, sie hat ihn getötet, weil er zu dir wollte? Weil er dein Vater war?«
    »Sie hat mir nie was über meinen Vater gesagt. Sie wollte nicht.«
    Nick strich ihr mit der Hand leicht über den Kopf. »Ich glaube nicht, daß er dein Vater war, Mag.«
    »Doch, ganz bestimmt, weil...«
    »Nein. Paß mal auf.«
    Er trat einen Schritt näher. Er nahm sie in die Arme. Sein Mund berührte ihr Haar, als er sprach. »Seine Augen waren braun, Mag. Und die von deiner Mutter sind auch braun.«
    »Na und?«
    »Deswegen kann er nicht dein Vater sein. Die Chancen stehen alle dagegen.«
    Sie wollte etwas sagen, aber er ließ sie nicht zu Wort kommen. »Verstehst du, das ist wie bei den Schafen. Mein Vater hat's mir erklärt. Die sind doch alle weiß, nicht wahr? Na ja, so ungefähr war es jedenfalls. Aber alle heilige Zeiten taucht plötzlich ein schwarzes auf. Hast du mal drüber nachgedacht, wie das kommt? Das ist ein rezessives Gen, verstehst du. Das ist was Ererbtes. Mutter und Vater von dem Lamm hatten beide irgendwo ein schwarzes Gen, und als sie sich dann gepaart haben, kam anstelle von einem weißen ein schwarzes Lamm heraus, obwohl sie selbst alle beide weiß waren. Aber die Chance, daß so was passiert, ist ganz, ganz winzig. Deshalb sind die meisten Schafe weiß.«
    »Ich versteh nicht...«
    »Du bist so was wie ein schwarzes Schaf, weil deine Augen blau sind. Mag, was glaubst du wohl, wie die Chancen stehen, daß zwei braunäugige Leute ein Kind mit blauen Augen kriegen?«
    »Was?«
    »Bestimmt eine Million zu eins. Vielleicht sogar eine Billion zu eins.«
    »Glaubst du?«
    »Ich weiß es. Der Pfarrer war nicht dein Vater. Und wenn er nicht dein Vater war, dann hat deine Mutter ihn auch nicht getötet. Und wenn sie ihn nicht getötet hat, dann tötet sie auch sonst niemand.«
    In seiner Stimme lag so ein Fertigundbasta-Ton, der keinen Widerspruch duldete. Maggie wollte ihm ja auch glauben. Alles wäre soviel einfacher, wenn sie sicher sein könnte, daß seine Theorie stimmte. Sie würde nach Hause gehen können. Sie würde ihrer Mutter gegenübertreten können. Sie würde sich keine Gedanken über die Form ihrer Nase

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