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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Ich rechne nicht damit, daß er tot ist, wenn ich komme, um ihn zu besuchen, deshalb hab ich auch nicht jedes einzelne Detail unserer ersten Begegnung im Gedächtnis. Wär das bei dir anders?«
    »Nur wenn ich mich mit einer schönen Frau unterhalten würde. Und selbst da merk ich immer wieder, daß mich Details ablenken, die mit dem, was sie zu sagen hat, gar nichts zu tun haben.«
    Sie sah ihn scharf an. »Was für Details?«
    Er neigte nachdenklich den Kopf zur Seite und musterte ihr Gesicht. »Der Mund zum Beispiel.«
    »Der Mund?«
    »Ich finde, der Frauenmund ist eine Studie wert. Ich hab schon seit einigen Jahren gute Lust, eine wissenschaftliche Theorie über ihn aufzustellen.«
    Er lehnte sich auf der Bank zurück. Er spürte ihre Empörung und unterdrückte ein Lächeln.
    »Erwarte jetzt bloß nicht, daß ich frage, was das für eine Theorie ist. Ich weiß, das hättest du gern. Seh ich dir an. Aber ich will sie gar nicht wissen.«
    »Auch gut.«
    »Gut.«
    Genau wie er lehnte sie sich zurück, streckte die Beine aus und starrte auf ihre Stiefelspitzen. Sie schlug die Absätze aneinander. Sie schlug die Spitzen aneinander. »Ach, verdammt noch mal, sag schon. Los, sag mir's.«
    »Gibt es eine Beziehung zwischen Ausmaß und Wichtigkeit einer Äußerung?« sagte er ernsthaft.
    »Du machst wohl Witze.«
    »Durchaus nicht. Ist dir nie aufgefallen, daß Frauen mit kleinem Mund höchst selten etwas von Bedeutung zu sagen haben?«
    »So ein sexistischer Quatsch.« »Nimm zum Beispiel Virginia Woolf. Das war eine Frau mit großem Mund.«
    »Simon!«
    »Sieh dir Antonia Fraser an, Margaret Drabble, Jane Goodall...«
    »Margaret Thatcher?«
    »Na ja, Ausnahmen gibt es immer. Aber in der Regel, und ich unterstelle, daß Untersuchungen das absolut bestätigen werden, stimmt meine These. Und ich habe die Absicht, sie wissenschaftlich zu untermauern.«
    »Wie denn?«
    »Mit persönlichem Einsatz. Ich hab mir gedacht, ich fange gleich bei dir an. Größe, Form, Proportionen, Weichheit, Sinnlichkeit...«
    Er küßte sie. »Wieso hab ich eigentlich das Gefühl, daß du von allen die Beste bist?«
    Sie lächelte. »Ich glaub, deine Mutter hat dich nicht oft genug verhauen, als du noch klein warst.«
    »Na, dann sind wir quitt. Ich weiß genau, daß dein Vater nicht ein einziges Mal die Hand gegen dich erhoben hat.«
    Er stand auf und streckte ihr seine Hand hin. Sie nahm sie. »Und was hältst du jetzt von einem Brandy?«
    Sie hatte nichts dagegen einzuwenden, und Arm in Arm gingen sie den Weg zurück, den sie gekommen waren. Ähnlich wie in Winslough dehnte sich gleich jenseits des Dorfs welliges Hügelland aus, das in Acker- und Weideland aufgeteilt war. Dahinter begann das Hochmoor. Vor ihnen lagen ausgedehnte Schafweiden. Hier und dort sprang ein Hund, meist ein Collie, um sie herum. Hier und dort arbeitete ein Bauer auf seinem Land.
    Auf der Schwelle des Pubs blieb Deborah stehen. St. James, der ihr die Tür hielt, drehte sich nach ihr um und sah, daß sie zum Hochmoor hinausblickte und sich dabei mit dem Zeigefinger nachdenklich ans Kinn klopfte.
    »Was ist?«
    »Er sagte, er ginge gern im Hochmoor spazieren. Er sei gern draußen im Freien, wenn er über eine Entscheidung nachdenken müßte. Deshalb wollte er in den Park. Den St. James Park. Er hatte vorgehabt, die Spatzen auf der Brücke zu füttern. Er kannte die Brücke, Simon. Er muß schon früher dort gewesen sein.«
    St. James lächelte und zog sie ins Haus.
    »Glaubst du, das ist wichtig?« fragte sie.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Glaubst du, er hatte vielleicht einen Grund dafür, über die Ehebrecherin zu sprechen, die die Hebräer steinigen wollten? Denn wir wissen ja jetzt, daß er verheiratet war. Wir wissen, daß seine Frau einen tödlichen Unfall hatte... Simon!«
    »Jetzt wirst du tiefschürfend«, sagte er.

17
    »...die Spence holen lassen... Hast du das nicht gehört?«
    »Die Direktorin hat sie holen lassen und...«
    »... sein Auto gesehen?«
    »Es war wegen ihrer Mutter.«
    Maggie blieb auf der Treppe vor der Schule stehen, als sie sich der taxierenden Blicke bewußt wurde, die auf sie gerichtet waren. Sie mochte die Zeit zwischen der letzten Stunde und der Abfahrt des Schulbusses gern. Es war die beste Gelegenheit, mit denjenigen, die in anderen Dörfern oder in der Stadt wohnten, zu klatschen. Aber sie hatte nie daran gedacht, daß das Kichern und Tuscheln eines Tages ihr gelten könnte.
    Zunächst hatte alles ganz normal gewirkt. Die Schüler

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