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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ob das der beste Witz aller Zeiten wär'. Aber ich möcht' gern wissen, was die blöden Wikinger hier in Lancashire zu suchen hatten.«
    »Und deine Mutter wird sicher wissen wollen, was du am Fluß zu suchen hattest«, meinte St. James.
    Josie wurde rot und wedelte mit beiden Händen. »Ich war gar nicht am Fluß. Und ich hab auch nichts Schlimmes getan. Ehrlich. Und es wär' ja nur eine Gefälligkeit. Wenn Sie meinen Namen erwähnen, mein ich. - Ach, übrigens hat uns auf dem Parkplatz ein junges Mädchen erwartet, Mrs. Wragg. Groß. Ein bißchen schlaksig. Sie hat uns gesagt, sie heiße Josie. Sie war sehr freundlich. Wenn Sie das ungefähr so bringen würden, würde meine Mutter sich vielleicht wieder ein bißchen abregen.«
    »Josephine!« rief von irgendwo eine Frau mit lauter Stimme. »Josephine Eugenia Wragg!«
    Josie schnitt eine Grimasse. »Ich hasse es, wenn sie das tut. Erinnert mich immer an die Schule. ›Josephine Eugenia Wragg, Bohnenstange und Klassenschreck‹.«
    So sah sie nicht aus. Aber sie war groß, und sie bewegte sich linkisch, wie junge Mädchen das tun, die sich plötzlich ihres Körpers bewußt geworden sind und sich noch nicht an ihn gewöhnt haben. St. James mußte an seine Schwester denken, als sie in diesem Alter gewesen war: geschlagen mit ihrer Größe, mit den scharf ausgeprägten Gesichtszügen, in die sie noch nicht hineingewachsen war, und mit einem unglücklich zweideutigen Namen. Sydney, pflegte sie sich selbst mit grimmigem Spott vorzustellen, der letzte der St.-James-Jungen. Jahrelang hatte sie das Gespött ihrer Schulkameraden ertragen müssen.
    Ernsthaft sagte er: »Danke, daß du uns auf dem Parkplatz erwartet hast, Josie. Es ist immer angenehm, wenn man am Ziel einer Reise erwartet wird.«
    Das Gesicht des Mädchens leuchtete auf. »Danke. Das ist echt nett«, sagte sie und steuerte auf die Tür zu, durch die sie gekommen waren. »Ich revanchier mich. Sie werden schon sehen.«
    »Ich zweifle nicht daran.«
    »Gehen Sie einfach durch die Gaststube. Da nimmt Sie schon jemand in Empfang.«
    Sie deutete auf eine zweite Tür auf der anderen Seite des Raums. »Ich muß schleunigst die Gummistiefel ausziehen.«
    Mit einem beschwörenden Blick fügte sie hinzu: »Ach, bitte sagen Sie nichts von den Gummistiefeln. Die gehören nämlich Mr. Wragg.«
    Kein Wunder, daß sie in ihnen herumgeschlappt war wie ein Taucher mit Schwimmflossen. »Ich werde schweigen wie ein Grab«, versprach St. James. »Deborah?«
    »Ich auch.«
    Josie grinste dankbar und schlüpfte zur Tür hinaus.
    Deborah nahm St. James' Krücken und sah sich in dem L-förmigen Raum um, der als Salon für die Hotelgäste diente. Die Polstermöbel waren schäbig, und mehrere Lampenschirme saßen schief. Aber auf einer Kredenz lag ein Sortiment von Zeitschriften für die Gäste bereit, und der Bücherschrank war zum Bersten voll. Die Wände schienen frisch tapeziert zu sein - ein Muster von ineinanderverschlungenen Rosen und Mohnblumen -, und es roch deutlich nach Potpourri. Sie wandte sich Simon zu. Er sah sie lächelnd an.
    »Was ist?« fragte sie.
    »Ganz wie zu Hause«, antwortete er.
    »Fragt sich nur, wessen Zuhause.«
    Sie ging ihm voraus in die Gaststube.
    Sie waren offenbar außerhalb der Geschäftszeit angekommen; am Mahagonitresen stand niemand, die Brauereitische, auf denen die Bierdeckel wie Farbkleckse lagen, waren leer. Unter der niedrigen Zimmerdecke, deren massive Holzbalken von Rauch geschwärzt waren, gingen sie zwischen Tischen und Stühlen hindurch. Im offenen Kamin schwelten noch die Reste eines Feuers vom Nachmittag; mit einem gelegentlichen lauten Knacken barsten letzte Harznester.
    »Wo ist sie nur jetzt wieder hin verschwunden, das verflixte Gör?« schalt eine Frau. Ihre Stimme kam aus einem Raum, der wohl das Büro war. Er befand sich links von der Bar, seine Tür stand offen. Unmittelbar daneben führte eine Treppe, deren Stufen so schief hingen, als lastete ein doppelseitiges Gewicht schwer auf ihnen, nach oben. Die Frau kam heraus, rief die Treppe hinauf: »Josephine!« und bemerkte dann erst St. James und Deborah. Genau wie Josie fuhr sie erst einmal zusammen. Genau wie Josie war sie groß und dünn, und ihre Ellbogen waren so spitz wie Pfeilspitzen. Ein wenig verlegen hob sie eine Hand zu ihrem Haar und zog eine Plastikspange, die mit rosaroten Rosenblüten verziert war, heraus. Mit der anderen Hand strich sie sich über den Rock, der voller Fussel war. »Die Handtücher«, bemerkte sie

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