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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Gummistiefeln steckten.
    Sie fuhr zusammen, als sie Deborah und St. James bemerkte. Doch anstatt an ihnen vorbeizulaufen, ging sie direkt auf sie zu und packte ohne ein Wort der Erklärung oder Bekanntmachung den Koffer, den St. James gerade aus dem Kofferraum des Wagens gehoben hatte. Sie warf einen Blick ins Innere des Kofferraums und nahm auch gleich seine Krücken.
    »So, hier sind Sie also«, sagte sie, als hätte sie sie unten am Fluß gesucht. »Bißchen spät, oder? In unserem Buch steht, Sie würden spätestens um vier kommen.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, eine Zeit angegeben zu haben«, versetzte Deborah einigermaßen verwirrt. »Unsere Maschine ist erst.«
    »Ist ja auch egal«, unterbrach das Mädchen. »Jetzt sind Sie jedenfalls hier, stimmt's? Und bis zum Abendessen ist noch massenhaft Zeit.«
    Sie sah zu den beschlagenen unteren Fenstern des Gasthauses hinüber, hinter denen sich im grellen Licht einer Küche eine schemenhafte Gestalt hin und her bewegte. »Wenn ich Ihnen einen Tip geben darf - nehmen Sie auf keinen Fall das Bœuf Bourguignon. Das ist nämlich ordinärer Eintopf. Kommen Sie. Ich zeige Ihnen den Weg.«
    Sie setzte sich in Richtung Hintertür in Bewegung. Mit dem Koffer in der Hand und St. James' Krücken unter dem anderen Arm bewegte sie sich merkwürdig tolpatschig, beinahe humpelnd, wobei sie den einen Gummistiefel über das Pflaster schleifte und mit dem anderen klatschend auftrat. Es blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Sie gingen hinter ihr her über den Parkplatz, dann eine kurze Treppe hinauf und durch die Hintertür in das Gasthaus. Durch einen kurzen Korridor kamen sie zu einer Tür mit einem handbeschrifteten Schild, auf dem Aufenthaltsraum für Hotelgäste stand.
    Das Mädchen ließ den Koffer auf den Teppich fallen und lehnte die Krücken dagegen, deren Enden sich in eine verblichene Axminster-Rose bohrten. »So!« sagte sie und rieb sich die Hände, als wollte sie sagen, ich habe meinen Teil getan. »Würden Sie meiner Mutter sagen, daß Josie Sie draußen erwartet hat? Josie, das bin ich.«
    Dabei stieß sie sich ihren Daumen in die Brust. »Sie täten mir einen Riesengefallen. Ich würd' mich auch revanchieren. Ehrlich.«
    Es hätte St. James interessiert, wie sie das machen wollte. Das junge Mädchen sah ihn und Deborah mit ernster Miene an.
    »Okay«, sagte sie dann, »ich seh' schon, was Sie denken. Also, um ganz ehrlich zu sein, sie ist fertig mit mir, Sie verstehen, was ich meine. Dabei hab ich eigentlich gar nichts getan. Ich meine, es ist nur lauter blödes Zeug. Aber hauptsächlich sind's meine Haare. Ich mein, die schauen sonst nicht so aus, wissen Sie. Aber jetzt werden sie wohl eine Weile so bleiben.«
    St. James war sich nicht schlüssig, ob sie über den Schnitt oder die Farbe sprach; beides war fürchterlich. Der Schnitt, Versuch eines Bubikopfes, schien mit Nagelschere und Rasierapparat unternommen worden zu sein. Er verlieh ihr eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Heinrich V., wie er auf einem Gemälde in der National Portrait Gallery zu sehen war. Die Farbe war ein unglücklicher Lachston, der sich mit dem Orange ihres Anoraks biß. Gefärbt vermutlich, wobei offensichtlich mehr Begeisterung als Expertise im Spiel gewesen war.
    »Schaum«, sagte sie aus heiterem Himmel.
    »Bitte?«
    »Schaum. Sie wissen schon. Das Zeug für die Haare. Auf der Schachtel stand Rötlicher Lichterglanz, aber es hat nicht funktioniert.«
    Sie schob ihre Hände in die Taschen des Anoraks. »Irgendwie ist einfach alles gegen mich, wissen Sie. Glauben Sie vielleicht, Sie finden in der vierten Klasse einen Jungen, der meine Größe hat? Na ja, da hab ich mir gedacht, wenn ich mir eine andere Frisur mache, dann könnte ich mir vielleicht einen aus der fünften oder sechsten angeln. Blöd, ich weiß schon. Sie brauchen's mir gar nicht erst zu sagen. Das tut nämlich meine Mutter schon seit drei Tagen ununterbrochen Was soll ich nur mit dir machen, Josie? Josie, das bin ich. Meiner Mutter und Mr. Wragg gehört das Gasthaus. Ihr Haar ist übrigens echt geil.«
    Diese letzten Worte waren an Deborah gerichtet, der schon eine Weile Josies intensives Interesse galt. »Und groß sind Sie auch. Aber Sie haben wahrscheinlich schon aufgehört zu wachsen, oder?«
    »Ja, ich denke, schon.«
    »Ich noch nicht. Der Doktor hat gesagt, daß ich mal über einsachtzig groß werde. Eine echte Wikingertochter, sagt er immer, und dann lacht er und haut mir auf die Schulter, als

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