Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Nachforschungen über den Tod der Frau anstellen und über Robin Sages Vorleben.«
    »Du lieber Gott, das ist der nächste Weg. Willst du da hinfahren, Tommy?«
    »Nein.«
    »Wer dann?«
    Lynley lächelte. »Jemand, der gerade im Urlaub ist. Genau wie wir.«
    In Acton drehte Barbara Havers das Radio auf dem Kühlschrank an und unterbrach Sting mitten in seinen Gesängen über die Hand seines Vaters. »Genau, Baby. Sing du nur, Traumjunge.«
    Sie lachte über sich selbst. Sie hörte Sting gern. Lynley behauptete, ihr Interesse an Sting beruhe einzig auf der Tatsache, daß dieser sich in einer Zurschaustellung vermeintlicher Männlichkeit, die weibliche Fans anlocken sollte, nur einmal alle vierzehn Tage zu rasieren schien. Aber darüber konnte Barbara nur lachen. Sie hielt dagegen, Lynley sei ein musikalischer Snob, der sich zu fein sei, sein aristokratisches Ohr irgendwelchen Klängen auszusetzen, die erst in den letzten achtzig Jahren komponiert worden waren. Sie selbst hatte in Wahrheit keine Vorliebe für den Rock 'n' Roll, doch sie zog ihn immer noch der klassischen Musik, dem Jazz, dem Blues vor und dem, was Constable Nkata als die »Schmachtfetzen aus Omas Zeiten« bezeichnete. Nkata selbst liebte den Blues, Havers wußte allerdings, daß er ohne Zögern seine Seele - ganz zu schweigen von seiner wachsenden Sammlung von CDs - für nur fünf Minuten allein mit Tina Turner verkaufen würde. »Ist mir völlig egal, daß sie alt genug ist, um meine Mutter zu sein«, pflegte er zu seinen Kollegen zu sagen. »Wenn meine Mutter so aussehen würde, wär ich nie von zu Hause weggegangen.«
    Barbara stellte die Musik lauter und öffnete den Kühlschrank. Sie hoffte, irgend etwas darin zu finden, das ihren Gaumen reizen würde. Doch der durchdringende Geruch einer fünf Tage alten Scholle trieb sie schleunigst zur anderen Seite der Küche. »Na, lecker«, sagte sie ironisch, während sie überlegte, wie sie das feuchte Fischpäckchen hinausbugsieren könnte, ohne es berühren zu müssen. Sie fragte sich, was sonst noch für übelriechende Überraschungen auf sie warteten, in Folie, in Plastik oder in praktischen kleinen Behältern, die sie für ein schnelles Abendessen nach Hause getragen und längst vergessen hatte. Von ihrem sicheren Beobachtungsposten aus gewahrte sie etwas Grünes, das an den Rändern eines Behälters emporkletterte. Sie hätte gern geglaubt, es handle sich um einen Rest Erbsenpüree. Die Farbe stimmte, aber die pelzige Beschaffenheit deutete auf Schimmel. Gleich daneben schien sich auf einem Teller uralter Spaghetti eine neue Form von Leben entwickelt zu haben. Ja, der ganze Kühlschrank sah aus wie ein kleines Labor, in dem Alexander Fleming in der Hoffnung auf eine weitere Reise nach Stockholm alle möglichen unappetitlichen Experimente machte.
    Den Blick argwöhnisch auf diese unerquickliche Bescherung gerichtet, ging Barbara zur Spüle hinüber. Sie kramte in Putzmitteln, Drahtschwämmen, Bürsten und mehreren zu steifen Klumpen erstarrten Lappen, ehe sie die Müllbeutel fand. Mit einem Beutel und einem Pfannenheber bewaffnet, eröffnete sie den Kampf. Zuerst wanderte die Scholle in den Beutel. Platschend schlug sie auf seinem Grund auf und verströmte dabei eine Duftwolke, die Barbara schaudern machte. Als nächstes kam das Erbsenpüree mit Antibiotikum, gefolgt von den Spaghetti, einem Stück Käse, dem ein bartähnliches Gebilde gewachsen war, einem Teller versteinerter Würstchen und Kartoffelpüree und einer Pizza, die noch im Karton war, den zu öffnen Barbara sich hütete. Ein Rest Schweinefleisch mu shu, eine verschimmelte halbe Tomate, drei halbe Grapefruit und ein Karton Milch, den sie, wie sie sich ganz klar erinnerte, im vergangenen Juni gekauft hatte, verschwanden ebenfalls in dem Müllbeutel.
    Sobald Barbara bei dieser Säuberungsaktion ein System entwickelt hatte, beschloß sie, sie auch konsequent zu Ende zu führen. Alles, was nicht festverschlossen in einem Glas oder einer Dose war, professionell eingelegt und mariniert, oder unbegrenzte Haltbarkeit auswies, ging denselben Weg wie die Scholle und Konsorten. Als sie fertig war, lag nichts mehr im Kühlschrank, was auch nur einen Imbiß hergegeben hätte; doch der Appetit war ihr sowieso längst vergangen.
    Sie knallte die Tür zu und verschnürte den Müllbeutel. Sie öffnete die Hintertür, warf den Beutel hinaus und wartete einen Augenblick, um zu sehen, ob ihm nicht vielleicht Beine wachsen würden, damit er sich aus eigener

Weitere Kostenlose Bücher