Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
fünfundvierzig«, meinte St. James, »aber du siehst aus wie höchstens zwanzig.« »Das liegt an der Beleuchtung, Simon. Weich und gedämpft. Du solltest dich langsam daran gewöhnen. Du wirst sie in den kommenden Jahren immer häufiger auch zu Hause erleben.«
    Er lachte und zog sein Jackett aus. Dann nahm er seine Uhr ab und legte sie auf den Nachttisch. Er setzte sich zu ihr aufs Bett und zog sein krankes Bein hoch, um sich nach rückwärts auf die Ellbogen stützen zu können. »Das macht mich sehr froh«, sagte er.
    »Wieso? Hast du plötzlich eine Leidenschaft für gedämpfte Beleuchtung entwickelt?«
    »Nein. Aber ich habe ganz entschieden eine Leidenschaft für die kommenden Jahre. Ich meine, daß es unsere sein werden.«
    »Hast du gedacht, es könnte anders sein?«
    »Bei dir weiß ich nie ganz genau, was ich denken soll.«
    Sie zog ihre Knie hoch und stützte ihr Kinn darauf. Ihr Blick war auf die Badezimmertür gerichtet. Sie sagte: »Bitte, denk das nie, Liebster. Laß dich nur nicht davon, wie ich bin und was ich tu, zu dem Glauben verleiten, daß wir uns einander entfremden. Ich bin schwierig, das weiß ich...«
    »Ja, das warst du immer.«
    »... aber unsere Zusammengehörigkeit ist für mich das Wichtigste im Leben.«
    Als er nicht gleich etwas sagte, drehte sie den Kopf nach ihm. »Glaubst du das?«
    »Ich möchte schon.«
    »Aber?«
    Er wand eine Locke ihres Haars um seinen Finger und betrachtete sie im Licht. Die Farbe lag irgendwo auf einer Skala zwischen Rot, Kastanienbraun und Blond. Er hätte sie nicht beschreiben können. »Manchmal kommen die prosaischen Probleme des Alltags dem Zusammengehörigkeitsgefühl in die Quere«, begnügte er sich zu sagen. »Wenn das passiert, verliert man leicht aus dem Auge, wo man angefangen hat, wohin man wollte und warum man sich überhaupt zusammengetan hat.«
    »Damit habe ich nie Schwierigkeiten gehabt. Du warst immer schon mein Leben, und ich liebe dich.«
    »Aber?«
    Sie lächelte und wich geschickter aus, als er ihr zugetraut hätte. »An dem Abend, an dem du mich das erstemal geküßt hast, hast du aufgehört, Mr. St. James, der Held meiner Kindheit, zu sein und bist zu dem Mann geworden, den ich heiraten wollte. Für mich war es ganz einfach.«
    »Es ist nie einfach, Deborah.«
    »Doch, ich glaube, es kann einfach sein. Wenn man sich einig ist.«
    Sie küßte ihn auf die Stirn, den Nasenrücken, den Mund. Seine Hand glitt von ihrem Haar zu ihrem Nacken hinunter, doch da sprang sie vom Bett und zog gähnend den Reißverschluß ihres Kleides auf.
    »Unsere Fahrt nach Bradford war dann wohl reine Zeitverschwendung?«
    Sie ging zum Kleiderschrank und holte einen Bügel heraus.
    Er starrte sie verblüfft an. »Bradford?«
    »Na ja, wegen Robin Sage. Habt ihr denn im Pfarrhaus etwas über seine Ehe gefunden? Über die Frau, die im Ehebruch ergriffen wurde? Und wie steht's mit dem heiligen Josef?«
    Er nahm den Themenwechsel zunächst einmal hin. Er machte das Gespräch unverfänglich. »Nein, nichts. Alle seine Sachen waren schon eingepackt, Dutzende von Kartons, es kann also leicht sein, daß sich noch irgend etwas findet. Tommy scheint es allerdings für unwahrscheinlich zu halten. Er ist der Meinung, daß die Wahrheit in London zu finden ist. Und er glaubt, wie gesagt, daß sie mit der Beziehung zwischen Maggie und ihrer Mutter zu tun hat.«
    Deborah zog sich ihr Kleid über den Kopf, und der Stoff dämpfte ihre Stimme, als sie sprach. »Ich versteh trotzdem nicht«, sagte sie, »warum ihr die Vergangenheit ad acta gelegt habt. Es war doch so spannend - eine mysteriöse Ehefrau und ein noch mysteriöseres Bootsunglück, bei dem sie umgekommen ist. Vielleicht hat er beim Sozialdienst aus Gründen angerufen, die mit dem Mädchen überhaupt nichts zu tun haben.«
    »Das ist richtig. Aber weshalb den Sozialdienst in London? Hätte er nicht die lokale Dienststelle angerufen, wenn es sich um ein hiesiges Problem handelte?«
    »Ebensogut könnte ich fragen, weshalb hat er in London angerufen, wenn es sich um Maggie handelte?«
    »Ich könnte mir denken, er wollte nicht, daß ihre Mutter davon erfährt.«
    »Da hätte er auch in Manchester oder Liverpool anrufen können. Warum hat er das nicht getan?«
    »Frag mich nicht. Mir ist völlig klar, daß uns eine Menge Antworten fehlen. Nehmen wir an, es ging um irgendeine Geschichte, die Maggie ihm anvertraut hatte. Wenn er in ein Gebiet eindrang, das Juliet Spence als ihre ureigenste Domäne ansah - die Erziehung

Weitere Kostenlose Bücher