Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
ist zu weit«, widersprach sie. »Und den Weg sind Sie doch gerade gekommen, oder nicht?«
    »Aber auf dem Fußweg«, erwiderte er mit einer Gelassenheit, als bewiese seine Antwort unerschütterbare Logik. »Über die Wiese. Über die Mauern. Ich bin nicht die Straße entlang gegangen.«
    Er paßte seinen Schritt dem ihren an. »Ich habe eine Taschenlampe«, fügte er hinzu und zog sie aus seiner Tasche. »Sie sollten hier nachts nicht ohne eine Lampe herumwandern.«
    »Es sind doch nicht mal zwei Kilometer, Brendan. Das schaff ich schon noch.«
    »Ich auch.«
    Sie seufzte. Sie hätte ihm gern erklärt, daß er nicht einfach im Dunkeln mit ihr Spazierengehen konnte. Daß man sie sehen würde. Daß die Leute es in den falschen Hals bekommen würden.
    Aber sie wußte im voraus, wie er auf ihre Erklärung reagieren würde. Sie werden nichts weiter glauben, als daß ich auf dem Weg nach Cotes Hall bin, würde er entgegnen. Ich marschier da ja jeden Tag hinaus.
    Wie naiv er war. Wie wenig Ahnung er vom Leben in einem Dorf hatte. Den Leuten, die sie sahen, würde es völlig gleichgültig sein, daß Polly und ihre Mutter seit zwanzig Jahren in dem kleinen Giebelhäuschen am Beginn der Auffahrt zum Herrenhaus lebten. Kein Mensch würde das in Betracht ziehen oder einen Gedanken daran verschwenden, daß Brendan vielleicht nur den Fortschritt der Renovierungsarbeiten am Herrenhaus überprüfte, um dort so bald wie möglich mit seiner jungen Frau einziehen zu können. Nein, von einem heimlichen Stelldichein würde man im Dorf tuscheln. Es würde Rebecca zu Ohren kommen. Und dann würde sie es sie und Brendan büßen lassen.
    Aber Brendan büßte sowieso schon. Daran gab es für Polly keinen Zweifel. Sie hatte mit Rebecca Townley-Young oft genug zu tun gehabt, um zu wissen, daß die Ehe mit ihr selbst unter den besten Bedingungen kein Honigschlecken sein konnte.
    Brendan tat ihr leid, und das war der Grund, warum sie ihm abends im Crofters Inn gestattete, sich zu ihr zu setzen; warum sie jetzt einfach nur am Straßenrand weiterging und den Blick auf den ruhigen, hellen Strahl von Brendans Taschenlampe gerichtet hielt. Sie versuchte nicht, ein Gespräch in Gang zu bringen. Sie wußte ziemlich genau, wohin ein Gespräch mit Brendan Power unweigerlich führen würde.
    Ungefähr vierhundert Meter weiter rutschte sie auf einem glitschigen Stein aus, und Brendan griff nach ihrem Arm.
    »Vorsicht«, sagte er.
    Sie spürte seine Finger an ihrem Busen. Bei jedem ihrer Schritte hoben und senkten sich die Finger und rieben wie liebkosend über die Seite ihres Busens. Sie zuckte die Achseln, in der Hoffnung, seine Hand abzuschütteln. Doch er packte nur fester zu.
    »Es war Craigie Stockwell«, sagte Brendan zaghaft in das sich zwischen ihnen vertiefende Schweigen hinein.
    Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Craigie wie?«
    »Der Teppich in Cotes Hall. Craigie Stockwell. Aus London. Jetzt ist er total ruiniert. Der Ablauf im Becken war mit einem Lappen zugestopft. Freitag abend ist das gemacht worden, vermute ich. Es sah ganz so aus, als sei das Wasser das ganze Wochenende gelaufen.«
    »Und kein Mensch hat das gemerkt?«
    »Wir waren in Manchester.«
    »Aber schaut denn niemand im Haus nach, wenn die Handwerker nicht da sind? Sieht denn da niemand nach dem Rechten?«
    »Mrs. Spence, meinen Sie?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie überprüft im allgemeinen nur die Fenster und die Türen.«
    »Aber ist es denn nicht ihre Aufgabe.«
    »Sie ist Hausmeisterin, kein Wachposten. Außerdem kann ich mir vorstellen, daß es ihr ziemlich unheimlich ist, ganz allein da draußen. So ganz ohne Mann, meine ich. Das Haus liegt einsam.«
    Aber mindestens einmal hatte sie unbekannte Eindringlinge erfolgreich in die Luft geschlagen, das wußte Polly. Sie hatte selbst das Krachen des Gewehrs gehört. Und ein paar Minuten später die trampelnden Schritte von zwei oder drei eilig davonlaufenden Flüchtlingen sowie bald darauf das Knattern eines Motorrads. Danach hatte es sich im ganzen Dorf herumgesprochen, daß mit Juliet Spence nicht gut Kirschen essen war.
    Polly fröstelte. Der Wind frischte auf. Er pfiff in kurzen, bitterkalten Böen durch die kahle Weißdorndecke, die die Straße säumte. Er versprach stärkeren Frost für den kommenden Morgen.
    »Ihnen ist kalt«, sagte Brendan.
    »Nein.«
    »Aber Sie zittern ja, Polly. Hier.«
    Er legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie fest an sich. »Das ist doch gleich besser, oder nicht?«
    Sie antwortete ihm

Weitere Kostenlose Bücher