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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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machen, deren Kind einen Schädelbruch und einen Beinbruch erlitten hatte, noch ehe es zwei Monate alt gewesen war, und dann auf einer Straße in Shoreditch entführt worden war. Es konnte nicht allzu schwierig gewesen sein, sich diese Informationen zu beschaffen.
    Ihre Mutter war fünfzehn Jahre alt, würde Susanna zu ihm gesagt haben. Ihr Vater war dreizehn. Bei diesen beiden hätte sie nie eine Chance gehabt. Siehst du das denn nicht? Nein? Ja, ich habe sie mitgenommen, Robin. Und ich würde es wieder tun.
    Er war nach London gefahren. Er hatte gesehen, was Lynley gesehen hatte. Er hatte sie kennengelernt. Und während er mit ihr in der engen kleinen Wohnung gesessen und geredet hatte, war vielleicht Harold gekommen und hatte gesagt: »Na, wie geht's meinem Baby? Wie geht's meiner süßen kleinen Mama?«
    Und er hatte seine Hand, an der ein goldener Trauring glänzte, auf ihren Bauch gelegt. Vielleicht hatte er auch gehört, wie Harold ihr draußen im Korridor, bevor er gegangen war, zugeflüstert hatte: »Heute abend schaff ich's nicht, babe. Komm, mach jetzt bloß kein Theater, Sheel, ich schaff s einfach nicht.«
    Hast du eine Ahnung, wie oft der Sozialdienst einer mißhandelnden Mutter eine zweite Chance gibt, ehe man ihr endlich das Kind abnimmt? würde sie gefragt haben. Hast du eine Ahnung, wie schwierig es ist, Mißhandlung überhaupt nachzuweisen, wenn das Kind nicht sprechen kann und es eine scheinbar plausible Erklärung für die Verletzungen gibt?
    »Ich habe ihr nie ein Haar gekrümmt«, hatte Sheelah Lynley versichert. »Aber sie haben mir nicht geglaubt. Oh, sie haben sie mir gelassen, weil sie nichts beweisen konnten, aber sie haben mich gezwungen, irgendwelche Kurse zu besuchen, und jede Woche mußte ich mich bei ihnen melden und.«
    Sie drückte ihre Zigarette aus. »Dabei war es die ganze Zeit Jimmy. Ihr blöder Vater. Sie hat geschrien, und er hat nicht gewußt, was er machen soll, damit sie aufhört, und dabei hatte ich sie nur für eine Stunde bei ihm gelassen, und da hat Jimmy mein Baby verletzt. Er hat einen Wutanfall gekriegt. Er hat sie an die Wand geschmissen. Niemals hätte ich. Niemals! Aber keiner hat mir geglaubt, und er hat kein Wort gesagt.«
    Als daher der Säugling verschwand und die junge Sheelah Cotton, damals noch nicht Yanapapoulis, schwor, das Kind sei entführt worden, hatte Kate Gitterman die Polizei angerufen und erzählt, wie sie die Lage beurteilte. Die Polizei hatte sich die junge Mutter angesehen, den Grad ihrer Hysterie abgewogen und nach einem Leichnam gesucht anstatt nach möglichen Hinweisen auf den Entführer des Kindes. Und niemand, der mit den Ermittlungen zu tun hatte, stellte je zwischen dem Selbstmord einer jungen Frau vor der französischen Küste und der Kindesentführung, die drei Wochen später in London geschah, eine Verbindung her.
    »Aber natürlich haben sie keine Leiche gefunden«, hatte Sheelah gesagt und sich die Wangen gewischt. »Ich hatte der Kleinen ja nie was getan, und ich hätt ihr auch nie was getan.
    Sie war doch mein Baby. Ich hab sie liebgehabt. Ja, ehrlich.«
    Die Jungen waren an die Tür gekommen, als sie geweint hatte, und Linus war durch das Wohnzimmer gekrabbelt und zu ihr auf das Sofa gekrochen. Sie drückte ihn an sich und wiegte ihn hin und her, ihre Wange in sein Haar gedrückt. »Ich bin eine gute Mutter. Ich sorg für meine Jungs. Keiner kann mir nachsagen, daß ich das nicht tu. Und keiner - verdammt noch mal, keiner! - nimmt mir meine Kinder weg.«
    Während Lynley hinter beschlagenen Scheiben in seinem Wagen saß und draußen der Verkehr vorbeirauschte, erinnerte er sich an das Ende der Geschichte von der Frau, die im Ehebruch ergriffen wurde. Es ging dabei ums Steinigen: Nur der Mann, der ohne Sünde war - und interessant, dachte er, daß es die Männer waren, die steinigten, und nicht die Frauen -, durfte zu Gericht sitzen und strafen. Der, dessen Seele nicht fleckenlos rein war, mußte zur Seite treten.
    Fahr nach London, wenn du mir nicht glaubst, würde sie zu ihrem Mann gesagt haben. Prüf die Geschichte nach. Sieh selbst, ob sie besser dran wäre, wenn sie bei der Frau lebte, die ihr einen Schädelbruch beigebracht hat.
    Und er war nach London gefahren. Er hatte sie kennengelernt. Und dann hatte er sich vor die Entscheidung gestellt gesehen. Ihm würde klar gewesen sein, daß er nicht ohne Sünde war. Er war nicht in der Lage gewesen, seiner Frau über ihren Schmerz hinwegzuhelfen, als ihr gemeinsames Kind gestorben

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