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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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auch Robin Sage klar. Er hatte die erwachsene Sheelah Yanapapoulis aufgesucht. Er konnte nicht wissen, wie sie als fünfzehnjähriges Mädchen gewesen war, das für einen Säugling zu sorgen hatte. Er konnte Mutmaßungen anstellen, die sich auf das stützten, was er bei ihren anderen Kindern sah: wie sie sich entwickelten, was sie über sie urteilte, wie sie mit ihnen umging. Aber er konnte nicht mit Sicherheit wissen, was aus Maggie geworden wäre, wenn sie bei Sheelah aufgewachsen wäre und nicht bei Juliet Spence.«
    Lynley schenkte sich noch ein Glas ein und lächelte trübe. »Ich bin nur froh, daß ich nicht in Sages Haut stecke. Sein Kampf um eine Entscheidung muß qualvoll gewesen sein. Meine ist nur niederschmetternd. Und nicht einmal niederschmetternd für mich.«
    »Du bist nicht verantwortlich«, sagte St. James. »Aber es handelt sich immerhin um ein Verbrechen.«
    »Ich diene der Gerechtigkeit. Das weiß ich, Simon. Doch ich muß ehrlich sagen, Vergnügen macht mir das nicht.«
    Er trank, schenkte nach, trank noch einmal. Dann stellte er das Glas auf den Tisch. Der Wein schimmerte im Licht. »Ich habe den ganzen Tag versucht, nicht an Maggie zu denken. Ich habe versucht, mich ganz auf das Verbrechen zu konzentrieren. Ich bilde mir ein, wenn ich nur immer wieder beleuchte, was Juliet getan hat - damals, vor vielen Jahren, und auch jetzt erst, im vergangenen Dezember -, könnte ich vergessen, warum sie es getan hat. Weil das Warum nicht von Bedeutung ist. Nicht von Bedeutung sein darf.«
    »Dann laß alles andere außer Betracht.«
    »Seit halb zwei sage ich es mir vor wie eine Litanei. Er hat sie angerufen und ihr seine Entscheidung mitgeteilt. Sie protestierte. Sie sagte, sie würde sie nicht aufgeben. Sie forderte ihn auf, am Abend zu ihr zu kommen, um noch einmal in Ruhe zu sprechen. Sie ging zu der Stelle, an der, wie sie wußte, der Wasserschierling wuchs. Sie grub einen Wurzelstock aus. Sie gab ihn ihm zu essen. Sie schickte ihn nach Hause. Sie wußte, daß er sterben würde. Sie wußte auch, wie er sterben würde.«
    St. James fügte den Rest hinzu. »Sie nahm ein Mittel, das Übelkeit herbeiführte. Dann rief sie den Constable an und zog ihn in die Sache hinein.«
    »Wie, in Gottes Namen, kommt es dann, daß ich ihr dennoch verzeihen kann?« fragte Lynley. »Sie hat einen Menschen ermordet. Weshalb möchte ich vor der Tatsache, daß sie eine Mörderin ist, am liebsten die Augen verschließen?«
    »Wegen Maggie. Sie war schon einmal in ihrem Leben das Opfer, und sie wird wieder zum Opfer werden, wenn auch auf andere Art. Diesmal durch dein Eingreifen.«
    Lynley sagte nichts. Im Gastraum nebenan schwoll eine Männerstimme an und verklang wieder. Stimmengewirr folgte.
    »Und jetzt?« sagte St. James.
    Lynley knüllte die Leinenserviette zusammen und legte sie auf den Tisch. »Ich habe von Clitheroe eine Beamtin angefordert. Sie ist auf dem Weg hierher.«
    »Für Maggie.«
    »Sie muß sich um das Kind kümmern, wenn wir die Mutter mitnehmen.«
    Er sah auf seine Taschenuhr. »Sie war nicht im Dienst, als ich dort war. Aber sie wollten sie benachrichtigen. Sie kommt dann zu Shepherd.«
    »Er weiß noch nichts?«
    »Nein. Ich fahre jetzt zu ihm.«
    »Soll ich mitkommen?«
    Als Lynley zu der Tür sah, durch die Deborah verschwunden war, sagte St. James: »Es ist schon in Ordnung.«
    »Dann wäre ich froh, wenn du mitkämst.«
    Im Pub war viel los an diesem Abend. Die Gäste schienen größtenteils Bauern zu sein, die zu Fuß, mit dem Traktor oder mit dem Landrover gekommen waren, um sich lautstark über das Wetter auszulassen. In Rauchschwaden gehüllt, erzählten sie einander, wie sich der anhaltende Schneefall auf ihre Schafe, die Straßen, ihre Ehefrauen und ihre Arbeit auswirkte. Einzig weil es am Nachmittag einige Stunden aufgeklart hatte, waren sie noch nicht eingeschneit. Aber gegen Abend hatte es erneut angefangen zu schneien. Die Bauern schienen sich für eine lange Belagerung zu stärken.
    Sie waren nicht die einzigen. Hinten in der Gaststube hatten sich die Teenager des Dorfs versammelt, versuchten ihr Glück am Spielautomaten und beäugten Pam Rice, die es wieder einmal ganz wild mit ihrem Freund trieb. Brendan Power saß in der Nähe des Feuers und sah jedesmal, wenn die Tür aufging, hoffnungsvoll auf.
    »Diesmal erwischt's uns richtig, Ben«, schrie ein Mann laut, um das allgemeine Getöse zu übertönen.
    Ben Wragg, der hinter dem Tresen an den Zapfhähnen stand, hätte nicht zufriedener

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