Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
tatsächlich Juliet Spence war?
    Sie ließen ihm nichts. Kein Wort der Widerrede, kein Gegenargument, nichts. Er stand auf und ging mit der kopierten Fotografie und dem Artikel zum offenen Kamin. Er warf beides ins Feuer und sah zu, wie die Flammen darüber herfielen, zuerst die Ränder des Papiers aufbogen, dann gierig leckten, schließlich alles verschlangen.
    Leo hob den Kopf von seinem Knochen und beobachtete ihn mit einem leisen Winseln. Gott, wenn alles so einfach wäre wie für einen Hund. Nahrung und Obdach. Wärme. Unverbrüchliche Treue und Liebe.
    »Gut, ich bin fertig.«
    »Wir brauchen Sie nicht, Constable«, entgegnete Lynley.
    Colin wollte protestieren, obwohl er wußte, daß er das Recht dazu verwirkt hatte. Im selben Moment läutete es draußen.
    Der Hund bellte und wurde wieder still. »Möchten Sie da nicht selbst hingehen?« schlug Colin verbittert vor. »Das wird Ihre angeforderte Beamtin sein.«
    Es war die Beamtin. Aber sie kam nicht allein. »Constable Garrity, CID Clitheroe, Sergeant Hawkins hat mich schon unterrichtet«, sagte sie, und hinter ihr auf der Veranda wartete ein Mann in dicker Tweedjacke, festen Stiefeln, die Mütze tief ins Gesicht gezogen: Frank Ware, Nicks Vater. Beide wurden von den Scheinwerfern eines ihrer beiden Fahrzeuge angestrahlt, die scharfes, weißes Licht in das Schneegestöber ausbreiteten.
    Colin sah Frank Ware an. Ware sah voll Unbehagen von der Beamtin zu Colin. Er stampfte sich den Schnee von den Stiefeln und zog an seiner Nase. »Tut mir leid, wenn ich störe«, sagte er. »Aber gleich beim Stausee liegt ein Auto im Graben, Colin. Ich wollt's Ihnen gleich sagen. Ich glaube, es ist Juliets Opel.«

28
    Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als Shepherd mitzunehmen. Er war in dieser Gegend aufgewachsen. Er kannte sich aus. Doch Lynley ließ nicht zu, daß er in seinem eigenen Wagen fuhr. Er wies ihn zu dem gemieteten Range Rover, und dann brachen sie, gefolgt von Constable Garrity und St. James in einem zweiten Range Rover, zum Stausee auf.
    Der Schnee flog vom Wind getrieben und im Licht der Scheinwerfer glitzernd in zahllosen Wirbeln gegen die Windschutzscheibe. Unter der festgefahrenen Schneedecke lauerte das blanke Eis und machte das Fahren gefährlich. Selbst der Vierradantrieb ihrer Range Rover wurde mit den Kurven und Steigungen nicht problemlos fertig. Sie rutschten und schlingerten und kamen nur im Schneckentempo vorwärts. Als die Scheibenwischer anfingen, eine eisige Bahn auf dem Glas zu hinterlassen, wurde die Sicht immer schlechter.
    »Verdammt«, murmelte Lynley. Er stellte den Defroster anders ein, aber das half nichts.
    Shepherd, der neben ihm saß, beschränkte sich darauf, einsilbige Anweisungen zu geben, wann immer sie sich einer Kreuzung näherten. Lynley warf ihm einen kurzen Blick zu, als er »Hier links« sagte. Die Scheinwerfer fielen auf einen Wegweiser zum Fork Stausee. Einen Moment lang dachte Lynley daran, sich das Vergnügen zu gönnen, Schimpf mit Schande zu mischen - Shepherd kam mit einer Kündigung statt eines öffentlichen Verfahrens weiß Gott viel zu billig davon -, aber beim Anblick der starren Maske, die das Gesicht des anderen war, verging Lynley das Verlangen, ihn zu demütigen. Colin Shepherd würde die Ereignisse der letzten Tage sein Leben lang nicht vergessen. Und bis zu dem Moment, in dem er für immer die Augen schloß, so hoffte Lynley, würde ihn unablässig das Gesicht Polly Yarkins verfolgen.
    Als sie die letzten Häuser des Dorfs hinter sich gelassen hatten, hörte die Straßenbeleuchtung auf; sie mußten sich auf ihre Scheinwerfer der Autos und die wenigen Lichter verlassen, die hier und dort aus Bauernhäusern herüberschimmerten. Es war, als führe man blind. Der fallende Schnee reflektierte das Licht der Scheinwerfer, und man hatte den Eindruck, gegen eine wabernde, milchige Wand zu fahren.
    »Sie hat gewußt, daß Sie nach London gefahren waren«, sagte Shepherd endlich. »Ich hab's ihr erzählt. Das können Sie also auch noch in Ihren Bericht aufnehmen, wenn Sie wollen.«
    »Beten Sie zu Gott, daß wir sie finden, Constable.«
    Als vor ihnen eine Kurve auftauchte, schaltete Lynley runter. Die Räder drehten einen Moment durch, dann griffen sie wieder. Hinter ihnen hupte Constable Garrity aufmunternd. Sie zuckelten weiter.
    Etwa sechs bis sieben Kilometer vom Dorf entfernt öffnete sich linker Hand die Zufahrt zum Stausee. Sie war durch eine Gruppe Fichten gekennzeichnet, deren Zweige von der Last des

Weitere Kostenlose Bücher