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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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antwortete nicht. Sie goß Öl in die Flasche und beobachtete, wie es sich in bernsteinfarbenen Schlieren verbreitete, als es mit dem Essig zusammentraf.
    »Antworte mir, Margaret.«
    Maggie hörte, wie die Handtasche ihrer Mutter auf einen Küchenstuhl fiel. Die schwere Seemannsjacke folgte. Dann hörte sie das Klappern ihrer Stiefelabsätze auf dem Küchenboden. Nie war sich Maggie der körperlichen Überlegenheit ihrer Mutter stärker bewußt gewesen als in diesem Moment, als diese neben sie an die Arbeitsplatte trat. Sie schien vor ihr zu stehen wie ein drohender Racheengel. Eine falsche Bewegung, und das Schwert würde herabsausen.
    »Würdest du mir vielleicht verraten, was du mit diesem Gebräu vorhast?« fragte Juliet. Ihre Stimme klang angestrengt, ähnlich wie bei jemand, der sich gleich übergeben muß.
    »Ich brauch's eben.«
    »Wozu?«
    »Für nichts.«
    »Das erleichtert mich ungemein.«
    »Wieso?«
    »Weil eine Spülung mit Öl eine Riesenschweinerei ist, falls du plötzlich die weibliche Hygiene entdeckt haben solltest. Denn es geht doch wohl um Hygiene, Margaret? Es steckt doch nichts anderes dahinter, nicht wahr? Abgesehen von einem seltsamen und recht plötzlichen Bedürfnis nach innerer Reinheit.«
    Maggie stellte das Öl neben den Essig auf die Arbeitsplatte und betrachtete angelegentlich das wabernde Gemisch, das sie bereitet hatte.
    »Ich habe auf dem Heimweg Nick Ware gesehen. Er war mit dem Fahrrad in Richtung Clitheroe unterwegs«, fuhr ihre Mutter fort. Sie sprach jetzt schneller, und jedes Wort klang kurz und abgehackt. »Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken, was das - in Verbindung mit dem faszinierenden Experiment, das du hier gerade durchführst - bedeuten könnte.«
    Maggie berührte mit dem Zeigefinger die Plastikflasche. Sie betrachtete ihre Hand. Wie alles an ihrem Körper war sie klein und rundlich, mit Grübchen versehen. Sie hätte der Hand ihrer Mutter kaum unähnlicher sein können. Sie eignete sich nicht zu Hausarbeit und schwerer Arbeit, sie war es nicht gewöhnt, zu graben und mit Erde zu arbeiten.
    »Diese Essig-und-Öl-Geschichte hat doch nichts mit Nick Ware zu tun? Sag mir, daß es reiner Zufall war, daß ich ihn vor nicht einmal zehn Minuten auf dem Weg ins Dorf gesehen habe.«
    Maggie bewegte die Flasche hin und her und sah zu, wie das Öl über dem Essig schwebte und schwankte. Ihre Mutter packte sie beim Handgelenk.
    »Au, du tust mir weh«, rief Maggie.
    »Dann rede endlich, Margaret. Sag mir, daß du nicht wieder mit ihm geschlafen hast. Ich rieche es doch. Weißt du das, daß du danach riechst? Du riechst wie eine Hure, Margaret.«
    »Na und? Du riechst doch genauso.«
    Krampfartig zog sich die Hand ihrer Mutter zusammen. Ihre kurzen Fingernägel preßten sich scharf in die weiche Unterseite von Maggies Arm. Maggie schrie auf und wollte sich losreißen, schlug jedoch statt dessen nur ihre beiden verkrampften Hände gegen die Plastikflasche, so daß diese ins Spülbecken rutschte. Essig und Öl spritzten in hohem Bogen heraus und bildeten eine schlierige Pfütze, die langsam versickerte und rote und goldene Tropfen auf dem weißen Porzellan hinterließ.
    »Du meinst wohl, ich hätte diese Erwiderung verdient«, sagte Juliet. »Du findest, wenn du mit Nick schläfst, ist das die perfekte Retourkutsche für mich. Das bezweckst du doch damit, nicht wahr? Auge um Auge. Darauf hast du doch seit Monaten gewartet, hm? Meine Mutter hat sich einen Liebhaber genommen, aber ich werd's ihr zeigen.«
    »Es hat mit dir überhaupt nichts zu tun. Es ist mir egal, was du tust. Es ist mir egal, wie du es tust. Und es ist mir auch egal, wann. Ich liebe Nick. Und er liebt mich.«
    »Ach, so ist das. Und wenn er dich geschwängert hat und du sein Kind erwartest, wird er dich dann auch noch lieben? Glaubst du, er wird die Schule verlassen, um euch beide zu ernähren? Und wie wirst du dich dabei fühlen, Margaret Jane Spence - als Mutter mit noch nicht einmal vierzehn Jahren?«
    Juliet ließ sie los und ging in die altmodische Speisekammer. Maggie rieb sich das Handgelenk und lauschte dem Knallen von luftdicht verschlossenen Behältern, die draußen auf- und wieder zugemacht wurden. Als ihre Mutter wieder in die Küche kam, füllte sie den Wasserkessel und stellte ihn auf den Herd.
    »Setz dich«, sagte sie.
    Maggie zögerte. Sie verschmierte mit den Fingern die Reste von Essig und Öl im Spülbecken. Sie wußte, was jetzt kam - genau das, was nach ihrem ersten Stelldichein mit

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