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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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So oder so. Darauf läuft es am Ende immer hinaus.«
    Maggie rieb sich mit dem Handrücken die nassen Wangen. »Du willst nur nicht, daß ich was habe, das ich liebhaben kann. Du hast Mr. Shepherd. Aber ich soll nichts haben.«
    »Glaubst du das im Ernst? Glaubst du denn nicht, daß du mich hast?«
    »Du bist nicht genug.«
    »Ach so.«
    Maggie nahm die Katze auf den Arm und drückte sie an sich. Sie sah die Niedergeschlagenheit und den Schmerz in der Haltung ihrer Mutter, die zusammengesunken auf ihrem Stuhl saß, die langen Beine kraftlos vor sich ausgestreckt. Es war ihr gleichgültig. Sie wollte nur ihren Vorteil wahren. Mom konnte sich ja bei Mr. Shepherd Trost holen, wenn sie sich verletzt fühlte.
    »Ich möchte jetzt endlich wissen, was mit Daddy war.«
    Ihre Mutter sagte nichts. Auf dem Tisch lag ein Stapel Fotografien, die sie in den Weihnachtstagen aufgenommen hatte. Sie griff danach. Die Feiertage waren noch vor der Leichenschau gewesen, und sie hatten sich große Mühe gegeben, guter Dinge zu sein und nicht daran zu denken, wie die Zukunft aussähe, wenn Juliet der Prozeß gemacht werden sollte. Sie sah die Bilder durch, die alle nur sie beide zeigten. Immer war es so gewesen, Jahr für Jahr nur sie und Maggie, eine Beziehung, die das Eindringen eines Dritten nicht geduldet hatte.
    Maggie beobachtete ihre Mutter. Sie wartete auf eine Antwort. Ihr Leben lang hatte sie so gewartet, zu ängstlich, um zu fordern, zu ängstlich, um zu drängen, sofort von Schuldgefühlen überwältigt und von Mitleid erfüllt, wenn ihre Mutter mit Tränen reagierte. Aber heute abend war es anders.
    »Ich möchte endlich wissen, was mit Daddy war«, wiederholte sie.
    Ihre Mutter sagte noch immer nichts.
    »Er ist gar nicht tot, stimmt's? Er sucht mich. Und das ist der Grund, warum wir dauernd von einem Ort zum anderen ziehen.«
    »Nein.«
    »Weil er mich bei sich haben möchte. Er liebt mich. Er möchte wissen, wo ich bin. Er denkt Tag und Nacht an mich. So ist es doch.«
    »Das ist Phantasterei, Maggie.«
    »Ist es nicht so, Mami? Ich will es endlich wissen.«
    »Was denn?«
    »Wer er ist. Was er tut. Wie er aussieht. Warum wir nicht mit ihm zusammenleben. Warum wir nie mit ihm zusammengelebt haben.« »Es gibt nichts zu erzählen.«
    »Ich sehe ihm ähnlich, nicht wahr? Denn dir sehe ich ja überhaupt nicht ähnlich.«
    »Solche Diskussionen bringen nichts.«
    »Doch. Doch. Weil ich dann endlich weiß, was los ist. Und wenn ich ihn suche...«
    »Das kannst du nicht. Er ist tot.«
    »Ist er nicht.«
    »Maggie, er ist tot. Und ich möchte nicht darüber sprechen. Ich werde mir keine Geschichten ausdenken. Ich werde dir keine Lügen erzählen. Er ist aus unserem Leben verschwunden. Er war immer abwesend. Von Anfang an.«
    Maggies Lippen bebten. Sie versuchte, das Zittern zu unterdrücken, aber es gelang ihr nicht. »Er hat mich lieb. Daddy hat mich lieb. Und wenn du mir erlauben würdest, ihn zu suchen, dann könnte ich es dir auch beweisen.«
    »Dir selbst möchtest du es beweisen, Maggie. Und wenn du es nicht mit deinem Vater beweisen kannst, wie du das gern tätest, dann muß Nick herhalten.«
    »Nein.«
    »Aber Maggie, es ist doch offensichtlich.«
    »Das ist nicht wahr. Ich liebe ihn. Er liebt mich.«
    Sie wartete auf eine Erwiderung ihrer Mutter. Als Juliet nichts tat, nur den Becher auf dem Tisch ein Stück verschob, wurde Maggie innerlich ganz hart. Ihr war, als wüchse in ihrem Herzen eine finstere schwarze Bedrohung. »Wenn ich schwanger bin, dann bring ich das Baby auf die Welt. Hast du das gehört, Mom? Aber ich werd nicht so eine Mutter wie du. Ich werde keine Geheimnisse vor meinem Kind haben. Mein Kind wird wissen, wer sein Vater ist.«
    Sie stürmte am Tisch vorbei aus der Küche hinaus. Ihre Mutter machte keinen Versuch, sie zurückzuhalten. Zorn und Selbstgerechtigkeit trugen sie bis in den oberen Flur hinauf, wo sie endlich haltmachte.
    Unten in der Küche hörte sie das Scharren eines Stuhls. Das Wasser wurde aufgedreht. Der Becher schlug klirrend gegen das Porzellan. Ein Schrank wurde geöffnet. Sie hörte, wie trockenes Katzenfutter in einen Napf geschüttet und auf den Boden gestellt wurde.
    Danach Stille. Und dann ein tiefer, rauher Seufzer und die Worte: »O Gott!«
    Seit beinahe vierzehn Jahren hatte Juliet kein Gebet mehr gesprochen, nicht weil sie nicht das Bedürfnis gehabt hätte, die Hilfe Gottes zu beschwören - es hatte Momente gegeben, da hatte sie sich solche Hilfe verzweifelt gewünscht -,

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