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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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innerhalb der nächsten zehn Minuten per Helikopter nach Heathrow zu fliegen, würde er die Maschine verpassen.
    »Ist Helen mit Ihnen gekommen, Sir?« erkundigte sie sich in munterem Ton.
    »Nein.«
    Er las weiter. Er hatte soeben die dritte Seite des Traktats fertig gelesen und knüllte sie wie Barbara zusammen, nur schien es bei ihm eher ein unbewußtes Vorgehen zu sein. Er hatte es geschafft, ein ganzes Jahr nicht zu rauchen, aber manchmal war es, als brauchten seine Finger dringend einen Ersatz für die Zigarette, die sie sonst immer gehalten hatten.
    »Sie ist doch nicht krank? Ich meine, Sie beide wollten doch...«
    »Ja, wir wollten. Pläne ändern sich manchmal.«
    Er sah sie über den Rand seiner Brille an. »Und wie sieht es mit Ihren Plänen aus, Sergeant? Haben die sich auch geändert?«
    »Ich leg nur mal eine kleine Pause ein. Sie wissen ja, wie das ist. Man schuftet und schuftet, und nach einer Weile sehen die Hände aus wie durch den Wolf gedreht. Ich will ihnen mal eine kleine Pause gönnen.«
    »Ah ja.«
    »Das Anstreichen ist ihnen allerdings sowieso erspart geblieben.«
    »Wie?«
    »Das Anstreichen. Sie wissen schon. Der Innenanstrich im Haus. Vor zwei Tagen kreuzten plötzlich drei Kerle bei mir auf, Maler, mit einem ordnungsgemäß unterschriebenen Auftrag, mein Haus zu streichen. Das war wirklich verdammt komisch, wissen Sie, weil ich überhaupt keinen Auftrag gegeben hatte. Und noch komischer war, daß die ganze Arbeit schon im voraus bezahlt worden war.«
    Lynley runzelte die Stirn und legte das Memorandum auf einen gebundenen Bericht über die Beziehungen zwischen. Bürger und Polizei in London. »Ja, das ist wirklich komisch«, meinte er. »Und Sie sind sicher, daß die Leute bei Ihnen an der richtigen Adresse waren?«
    »Todsicher«, bestätigte sie. »Hundert Pro. Sie wußten ja sogar meinen Namen. Sie nannten mich sogar Sergeant. Sie haben sogar gefragt, wie man sich als Frau bei der Kripo fühlt. Waren ganz schön geschwätzig, die Burschen. Aber ich frag mich, woher sie gewußt haben können, daß ich hier im Yard arbeite.«
    Lynleys Gesicht war, wie sie erwartet hatte, ein Bild tiefster Verwunderung. Halb erwartete sie, daß er jetzt die Miranda aus dem Hut ziehen und in Bewunderungsrufe über die herrlichen Geschöpfe einer wackeren neuen Welt ausbrechen würde, obwohl sie beide wußten, daß diese Welt im allgemeinen korrupt und nicht von herrlichen Geschöpfen bevölkert war.
    »Und Sie haben den Auftrag gelesen? Sie haben sich vergewissert, daß die Männer an der richtigen Adresse waren?«
    »Aber ja. Und sie waren verdammt gut, Sir, alle drei. Innerhalb von zwei Tagen waren sämtliche Räume im Haus wie neu.«
    »Faszinierend.«
    Er wandte sich wieder dem Bericht zu.
    Sie ließ ihn so lange lesen, wie sie brauchte, um von eins bis hundert zu zählen. »Sir«, sagte sie dann.
    »Hm?«
    »Was haben Sie ihnen bezahlt?«
    »Wem?«
    »Den Malern.«
    »Welchen Malern?«
    »Tun Sie doch nicht so, Inspector. Sie wissen genau, wovon ich rede.«
    »Von den Leuten, die Ihr Haus gestrichen haben?«
    »Was haben Sie ihnen bezahlt? Ich weiß genau, daß Sie ihnen den Auftrag gegeben haben, Sie brauchen gar nicht erst zu versuchen zu leugnen. Außer Ihnen wissen nur MacPherson, Stewart und Hale, daß ich im Urlaub das Haus renoviere, und von den dreien kann es sich keiner leisten, die Kohle hinzulegen, die so was kostet. Also, was haben Sie ihnen bezahlt, und wieviel Zeit hab ich, um es Ihnen zurückzuzahlen?«
    Lynley legte den Bericht auf die Seite und spielte mit seiner Uhrkette. Er zog die Taschenuhr heraus, klappte den Deckel auf und sah demonstrativ nach der Zeit.
    »Ich will Ihre verdammte Wohltätigkeit nicht«, sagte sie. »Ich hab keine Lust, mich als Sozialfall behandeln zu lassen. Und ich möchte niemandem etwas schulden.«
    »Ja, Schulden sind lästig«, sagte er. »Immer fühlt man sich verpflichtet, das eigene Verhalten an der Schuld zu messen. Wie kann ich meine Wut an ihm auslassen, wenn ich ihm doch verpflichtet bin? Wie kann ich ohne jede Diskussion meinen eigenen Weg gehen, wenn ich doch in seiner Schuld stehe? Wie kann ich mir den Rest der Welt sicher vom Leib halten, wenn ich da irgendwo in einer Beziehung stehe.«
    »Schulden machen keine Beziehung, Sir.«
    »Nein. Aber Dankbarkeit im allgemeinen.«
    »Ach, dann wollten Sie mich also kaufen? Ja?«
    »Einmal vorausgesetzt, ich hätte mit der Sache überhaupt etwas zu tun - und ich warne Sie lieber gleich: das ist eine

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