06 - Der Schattenkrieg
»Allerdings«, meinte Murray. »Wie ich höre, haben Sie einen neuen Job.«
»Stimmt. Nur die Begleitumstände der Beförderung sind traurig.«
»Ich weiß. Ich bin Admiral Greer zwar noch nie begegnet, aber der Direktor hält viel von ihm.« »Die beiden sind vom selben Kaliber: Gentlemen der alten Schule«, merkte Ryan an. »Eine gefährdete Spezies.«
»Allerdings«, bestätigte Murray. »Ich…« Da begann sein Rufgerät zu piepen. Er nahm es vom Gürtel. Kurz darauf erschien auf der LCD-Anzeige die Nummer, die er anrufen sollte. »Den Kerl, der diese Dinger erfunden hat, würde ich am liebsten umlegen. Darf ich Ihr Telefon benutzen?« »Aber sicher.« Murray ließ die angezeigte Nummer unbeachtet und wählte Shaws Büro an. »Hier Murray. Haben Sie telefoniert, Alice? Gut… Hallo, Bill, was gibt’s?«
Eine Eiseskälte schien sich über den Raum zu legen. Ryan spürte sie, ehe er die Veränderung in Murrays Gesicht verstand.
»Besteht auch nicht die Chance, daß klar, Pete.« Murray schaute auf die Uhr. »In vierzig Minuten bin ich da.« Er legte auf.
»Was ist passiert?«
»Jemand hat den Direktor umgebracht«, erwiderte Dan schlicht. »Was? Wo denn…?« »In Bogotá. Er war dort zusammen mit dem Chef der DEA zu einem informellen Besuch.« »Besteht auch nicht die Chance, daß…« Murray schüttelte den Kopf. »Der Attache dort unten ist Peter Morales, ein guter Agent, den ich persönlich kenne. Er sagt, sie seien alle auf der Stelle tot gewesen. Emil, Harry Jefferson, der Botschafter, alle Leibwächter.« Er hielt inne und las Ryans Miene. »Tja, da muß jemand vorzüglich informiert gewesen sein.«
»Darum muß ich mich jetzt kümmern…«
»Emil war bei allen im FBI beliebt.« Murray stellte sein Bier auf die Küchenplatte. »Mein Beileid.«
»Was sagten Sie gerade? Gefährdete Spezies?« Murray schüttelte den Kopf und ging seine Frau holen. Ryan hatte kaum die Tür zu seinem Arbeitszimmer hinter sich zugemacht, als sein Geheimtelefon schon ging.
Das Hydeaway, nur wenige Meilen von den Luray-Höhlen entfernt, war ein modernes Gebäude, obwohl ihm ein gewisser Komfort mit Absicht abging. Auf den Zimmern gab es weder Kabelfernsehen noch kostenlose Zeitungen am Morgen, dafür aber Klimaanlage, fließendes Wasser und ein umfangreiches Zimmerservice-Menü, ergänzt durch eine zehnseitige Weinliste. Das Hotel war vorwiegend für Frischvermählte eingerichtet, die wenig Ablenkung brauchten. Vom Gast wurde eigentlich nur erwartet, daß er aß, trank und das Bett zerwühlte, aber zur Not gab es auch noch Reitpferde, einen Tennisplatz und einen Pool. Moira sah zu, wie ihr Freund dem Pagen zehn Dollar Trinkgeld gab, und stellte dann die naheliegende Frage.
»Wie hast du uns angemeldet?«
»Als Mr. und Mrs. Juan Diaz.« Ein verlegender Blick. »Verzeih mir, aber mir fiel nichts anderes ein«, log er stockend. »Was hätte ich denn sonst schreiben sollen? Das wäre doch peinlich gewesen.« »Nun denn, ich muß unter die Dusche. Und da wir nun Mann und Frau sind, kannst du ruhig mitkommen.« Sie ging aus dem Raum und ließ dabei ihre Seidenbluse aufs Bett fallen. Fünf Minuten später kam Cortez zu dem Schluß, daß in der Dusche leicht Platz für vier war. Und wie sich herausstellte, war das auch gut so.
Der Präsident war übers Wochenende nach Camp David geflogen und gerade aus der Dusche gekommen, als sein Adjutant, ein Lieutenant der Marines, ihm das schnurlose Telefon brachte. »Ja, was gibt’s?« Als der Lieutenant die Miene des Präsidenten sah, dachte er zuerst einmal an seine Pistole.
»Der Justizminister, Admiral Cutter, Richter Moore und Bob Ritter sollen auf der Stelle hierher geflogen werden«, befahl der Präsident. »Der Pressesprecher soll mich in fünfzehn Minuten anrufen, damit wir eine Erklärung ausarbeiten können. Ich bleibe fürs erste hier. Wann werden die Leichen zurückgebracht? Gut darüber können wir noch nachdenken. Für den Augenblick gilt das übliche Protokoll. Genau. Nein, nichts vom Außenministerium. Erst erledige ich das von hier aus, dann kann der Außenminister seinen Senf dazugeben. Danke.« Der Präsident schaltete das Telefon ab und gab es dem Marinesoldaten zurück.
»Sir, muß Ihre Wache informiert…?«
»Nein.« Der Präsident erklärte kurz, was geschehen war. »Weitermachen, Lieutenant.« »Aye aye, Sir.« Der Marine ging. Der Präsident schlüpfte in seinen Bademantel und trat vor den Spiegel, um sich zu kämmen. »So«, sagte der Präsident der Vereinigten Staaten
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