06 - Der Schattenkrieg
C-141B der Air Force auf dem Flughafen El Dorado International gelandet. Die Sicherheitsvorkehrungen waren so umfassend wie seit Sadats Beerdigung nicht mehr. In der Luft kreisten bewaffnete Hubschrauber, am Boden bildeten Panzerfahrzeuge einen Schutzring. Ein ganzes Bataillon Fallschirmjäger hatte den für drei Stunden geschlossenen Flughafen umzingelt.
Vor den Särgen stand betend Esteban Kardinal Valdéz, begleitet vom Oberrabbi der kleinen jüdischen Gemeinde von Bogotá. Die US-Regierung wurde vom Vizepräsidenten vertreten, und man hielt die üblichen Reden. Am bewegendsten sprach der kolumbianische Justizminister, der um seinen Freund und ehemaligen Kommilitonen Tränen vergoß, ohne sich zu schämen. Dann flog der Vizepräsident in seiner Maschine wieder ab. Anschließend startete die große Lockheed. Die bereits verlesene Erklärung des Präsidenten sprach von der Aufrechterhaltung der Gesetze, der Emil Jacobs sein Leben gewidmet hatte. Doch jenen, die nicht besser Bescheid wußten, klang das so dünn wie die Luft in Bogotá.
In Eight Mile im Staat Alabama, einem Vorort von Mobile, saß ein Polizeisergeant namens Ernie Braden auf seinem Rasentraktor und mähte. Als Spezialist für Einbruch kannte er alle Tricks der Leute, die er verfolgte; zum Beispiel, wie man komplexe Alarmanlagen ausschaltet. Diese Fertigkeit, zusammen mit Informationen, die er von den Rauschgiftermittlern aufschnappte, versetzten ihn in die Lage, seine Dienste Leuten mit Geld anzubieten, die dafür seinen Kindern die Zahnregulierung und die Schulbildung finanzierten. Korrupt war Braden im Grunde nicht; nach zwanzig Jahren im Dienst war ihm halt alles wurst. Wer Drogen nehmen wollte, sollte das seinetwegen tun und zum Teufel gehen. Wenn die Dealer sich gegenseitig abknallen wollten fein, um so besser für die Gesellschaft. Und wenn so ein arrogantes Arschloch von Banker sich auch noch als Gauner entpuppte, dann war das halt Pech; Braden war nur gebeten worden, das Haus des Mannes zu durchsuchen und sicherzustellen, daß er keine Unterlagen hinterlassen hatte.
Der Lärm des Rasentraktors sägte durch die heiße, schwüle Luft der Straße, in der er mit seiner Familie wohnte. Er wischte sich mit einem Taschentuch die Stirn, konzentrierte sich aufs Mähen und freute sich schon auf ein Bier nach getaner Arbeit. Den Plymouth Minivan auf der Straße sah er nicht, und ihm war auch nicht bekannt, daß die Leute, von denen er sein Zusatzeinkommen bezog, mit ihm unzufrieden waren.
Braden hatte mehrere Eigenheiten: Zum Beispiel war er nie unbewaffnet, selbst beim Rasenmähen nicht. Unter seinem schmierigen Hemd steckte ein Smith & Wesson »Chief’s Special«, ein fünfschüssiger Revolver aus Edelstahl. Als er endlich bemerkte, daß ein Minivan hinter seinem Chevy Citation anhielt, fiel ihm nur auf, daß zwei Männer darin saßen und ihn anschauten. Sein Polizeiinstinkt ließ ihn allerdings nicht ganz im Stich. Die beiden musterten ihn sehr scharf. Er schaute neugierig zurück. Wer sollte sich am Samstag nachmittag für ihn interessieren? Als die Beifahrertür aufging und er eine Waffe sah, erledigte sich die Frage.
Als Braden sich vom Mäher warf und dabei den Fuß vom Fahrpedal nahm, blieb der Traktor nach einem halben Meter mit laufendem Motor und rotierendem Mähmesser stehen. Braden kam neben den Grasauswurf zu liegen und spürte, wie seine Knie mit Sand und Steinchen bombardiert wurden, aber auch das war im Augenblick unwichtig. Er hatte seinen Revolver schon gezogen, als der Mann aus dem Plymouth den ersten Schuß abgab.
Er benutzte ein Ingram Mac-10, Kaliber 9 mm, wußte aber nicht richtig mit der Waffe umzugehen. Sein erster Schuß lag knapp im Ziel, die nächsten acht aber fuhren gen Himmel, eine Auswirkung des Rückstoßes der notorisch instabilen Waffe. Sergeant Braden schoß zweimal zurück, aber die Distanz zum Ziel betrug über zehn Meter, und der Lauf des Chief’s Special, einer Nahkampfwaffe, ist nur fünf Zentimeter lang. Der jähe und unerwartete Streß der Situation bewirkte zusammen mit der ungeeigneten Waffe, daß Braden mit nur einem Schuß den hinter seinem Ziel parkenden Minivan traf. Automatisches Feuer jedoch erzeugt ein unverkennbares Geräusch. Die Nachbarschaft erkannte sofort, daß sich etwas sehr Ungewöhnliches abspielte. Im Haus auf der anderen Seite der Straße reinigte ein Fünfzehnjähriger sein Gewehr, ein altes Marlin .22 mit Repetieraktion, das einmal seinem Großvater gehört hatte. Erik Sanderson, der
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