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06 - Der Schattenkrieg

06 - Der Schattenkrieg

Titel: 06 - Der Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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ausgestellt, aber er besaß mehrere Pässe. Im Augenblick tarnte er sich als Vertreter eines amerikanischen Pharma-Betriebes und war in der Lage, einen längeren Vortrag über synthetische Antibiotika zu halten. Ähnlich hatte er auch die Fähigkeit, sich als Reisender der Baumaschinenfabrik Caterpillar über alle Einzelheiten schweren Erdbewegungsgeräts auszulassen; darüber hinaus verfügte er über zwei weitere »Legenden«, in die er so rasch schlüpfen konnte wie in seine Kleider. Williams hieß er natürlich nicht. Beim Direktorat Operationen der CIA war er als Clark bekannt, obwohl auch das nicht sein richtiger Name war, wenngleich er unter diesem lebte und seine Kinder großzog. Vorwiegend betätigte er sich an der Agentenschule der CIA, auch die »Farm« genannt, als Ausbilder, doch als Lehrer trat er hauptsächlich auf, weil er sich auf sein Metier verstand, und aus diesem Grund kehrte er auch häufig ins »Feld«, den Außendienst, zurück.
Clark war ein kräftig gebauter Mann von eins-neunzig, mit dichtem schwarzem Haar, einem markanten Kinn und blauen Augen, die je nach Bedarf heiter zwinkern oder gefährlich funkeln konnten. Clark war zwar über vierzig, aber bei ihm fehlte der Bauchansatz, der mit Arbeit am Schreibtisch einhergeht, und seine Schultern sprachen Bände über sein Trainingsprogramm. Alles nicht so ungewöhnlich in einer fitneßbesessenen Zeit, bis auf eine Ausnahme: An seinem Unterarm war ein grinsender roter Seelöwe eintätowiert. Eigentlich hätte er das Erkennungszeichen der MarineKommandotruppe »Seals« entfernen lassen sollen, hatte aber aus Sentimentalität auf die Operation verzichtet. Wenn er auf die Tätowierung angesprochen wurde, erklärte er wahrheitsgemäß, einmal bei der Marine gewesen zu sein, und log dann weiter, die Navy habe ihm später sein Pharmazeutik-, Maschinenbau- oder sonstiges Studium finanziert je nach Bedarf. Clark hatte zwar keinen akademischen Grad, verfügte aber über genug Spezialwissen für ein halbes Dutzend Diplome. Der fehlende akademische Grad hätte ihn für seine Position bei der CIA disqualifizieren sollen, doch Clark verfügte über Fähigkeiten, die bei westlichen Nachrichtendiensten seltsamerweise sehr selten sind. Zwar wurden sie auch nur selten gebraucht, aber dann war das Bedürfnis sehr real, und ein hoher CIA-Beamter hatte einmal erkannt, daß es nützlich war, einen Mann wie Clark auf der Gehaltsliste zu haben.
Daß aus ihm ein sehr effektiver Außendienstoffizier hauptsächlich für spezielle, kurze und gefährliche Jobs geworden war, wirkte sich für die CIA nur noch günstiger aus. Clark war eine Art Legende, aber den Grund kannten in Langley nur wenige. Es gab nur einen Mr. Clark. »Was führt Sie in unser Land, Señor Williams?« fragte der Paßbeamte höflich.
»Ich bin geschäftlich hier und möchte vor dem Rückflug noch ein bißchen angeln gehen«, erwiderte Clark auf spanisch. Sechs Sprachen beherrschte er fließend; drei davon wie ein Einheimischer. »Ihr Spanisch ist sehr gut.«
»Danke für das Kompliment; ich bin in Costa Rica aufgewachsen«, log Clark. »Mein Vater hat dort gearbeitet.«
»Ja, das hört man. Willkommen in Kolumbien.« Clark ging sein Gepäck holen. Die Luft hier war dünn, wie er feststellte. Da er täglich joggte, würde ihm das nicht viel ausmachen, aber er nahm sich vor, Anstrengungen zu vermeiden, bis er sich in ein paar Tagen akklimatisiert hatte. Er war zum ersten Mal in diesem Land, ahnte aber jetzt schon, daß es nicht sein letzter Besuch sein würde. Alle wichtigen Missionen begannen mit Aufklärungsarbeit, und das war sein gegenwärtiger Auftrag. So ziemlich einmalig an Kolumbien war, daß man Feuerwaffen ohne große Umstände einführen durfte. Diesmal hatte sich Clark nicht die Mühe gemacht: beim nächsten Mal mochte das anders aussehen. Er wußte, daß er sich mit solchen Ansinnen nicht an den CIA-Stationschef wenden konnte; der ahnte ja noch nicht einmal, daß er überhaupt im Land war. Clark fragte sich, warum man den höchsten CIA-Vertreter in Kolumbien nicht einweihte, tat die Frage aber mit einem Achselzucken ab. Das ging ihn nichts an. Entscheidend war nur seine Mission.
    Das Konzept »Leichte Infanteriedivision« hatte die US-Armee erst vor wenigen Jahren wieder eingeführt, und es war nicht schwer gewesen, die Einheiten zusammenzustellen. Man nahm einfach einer mechanisierten Division alles mechanische Gerät ab. Übrig blieb dann ein rund 10.500 Mann starker Verband, dessen

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