06 - Der Schattenkrieg
brennbare Bombenhülle wurde in Mikrosekunden vaporisiert. Dann schleuderte sich ausdehnendes Explosionsgas Fetzen der Karosserie in alle Richtungen; dicht dahinter folgte die steinharte Druckwelle. Nach einer Tausendstelsekunde trafen Fragmente und Druckwelle mit dem vorhersehbaren Effekt die Betonmauer des Hauses, die sich in Millionen winziger, mit Gewehrkugelgeschwindigkeit fliegende Splitter auflöste. Die nachfolgende Druckwelle zerstörte weitere Teile des Gebäudes.
Das Display des Nachtsichtgeräts am GLD wurde weiß mit einem Grünstich. Clark verzog das Gesicht, schaute weg und sah im Zielgebiet einen noch grelleren Blitz. Sie waren zu weit entfernt, um die Detonation sofort hören zu können. Es kam nicht oft vor, daß man Schall sehen konnte, aber große Bomben ermöglichten das. Die komprimierte Luft der Druckwelle sah aus wie eine gespenstische weiße Wand, die sich mit einer Geschwindigkeit von über 300 m/s radial vom Standort des Pickups ausbreitete. Der Schall erreichte Clark und Larson erst nach zwölf Sekunden. Zu diesem Zeitpunkt waren alle, die sich im Konferenzsaal befunden hatten, natürlich tot.
»Donnerwetter«, sagte Larson beeindruckt. Clark hingegen konnte nicht vergessen, daß bei diesem Streich über zwanzig Menschen umgekommen waren; nur vier hatten auf der Liste gestanden. Das war kein Scherz. Das Lachen erstarb ihm in der Kehle. Er war ein Profi, kein Psychopath.
Cortez war keine zweihundert Meter von der Explosionsstelle entfernt gewesen, aber die Tatsache, daß er sich tiefer befand, rettete ihm das Leben, denn die meisten Fragmente flogen über seinen Kopf hinweg. Die Druckwelle aber war schon schlimm genug und schleuderte ihm die Windschutzscheibe ins Gesicht. Zu seinem Glück bestand sie aus Sicherheitsglas. Sein Wagen wurde umgeworfen und blieb auf dem Dach liegen, aber Cortez brachte es fertig, sich kriechend ins Freie zu retten, noch ehe sein Verstand verarbeiten konnte, was seine Augen aufgenommen hatten. Erst nach sechs Sekunden kam ihm »Explosion« in den Sinn. Dann waren seine Reaktionen schneller als die der Wächter, die ohnehin zur Hälfte tot waren oder im Sterben lagen. Seine erste bewußte Handlung war, daß er die Pistole zog und auf das Haus zuging.
Von dem Gebäude war so gut wie nichts mehr übrig. Er war noch zu taub, um die Schreie der Verletzten hören zu können. Mehrere Wächter liefen mit Waffen im Anschlag ziellos umher. Am wenigsten betroffen waren die Männer, die jenseits des Hauses an der Mauer postiert gewesen waren. Das Gebäude hatte die größte Wucht der Druckwelle aufgenommen und sie vor allem geschützt außer den Projektilen, aber die waren an sich schon tödlich genug gewesen.
»Bravo Whiskey, hier Zulu X-Ray, erbitte BDA.« BDA war die Einschätzung des von der Bombe angerichteten Schadens. Larson drückte ein letztes Mal auf die Sprechtaste an seinem Mikrophon. »Detonationspunkt auf null geschätzt, wiederhole: null. Hohe Sprengleistung. Einschätzung vierzehn Komma null. Over.«
»Roger. Out.« Jensen schaltete das Funkgerät wieder ab. »Auf der Kennedy trauten wir Offiziere uns nicht in bestimmte Räume, weil dort Soldaten mit Drogen hantierten.«
»Scheißdrogen«, antwortete der Navigator über die Bordsprechanlage. »Keine Angst, Skipper. Dieser Angriff macht mir bestimmt keine Gewissensbisse. Wenn das Weiße Haus sagt, daß das klargeht, dann geht es auch klar.«
»Genau.« Jensen verfiel in Schweigen und blieb auf Kurs, bis er den Überwachungsraum von El Dorado verlassen hatte. Dann drehte er ab in Richtung Ranger. Es war eine wunderschöne Nacht.
Cortez hatte wenig Erfahrung mit Explosionen, und die dabei auftretenden seltsamen Phänomene waren ihm fremd. Zum Beispiel lief der Springbrunnen vor dem Haus noch. Die Stromleitungen zur Casa waren unterm Schutt begraben, aber unversehrt, und auch der Sicherungskasten war nicht ganz zerstört. Er wusch sich im Becken das Gesicht, und als er sich wieder aufrichtete, fühlte er sich, abgesehen von dem Schädelbrummen, fast normal.
Zum Zeitpunkt der Explosion hatte ungefähr ein Dutzend Fahrzeuge innerhalb der Mauer gestanden. Die Hälfte war zerfetzt, und brennende Benzintanks erhellten die Szene. Untiveros’ neuer Hubschrauber lag als plattgedrücktes Wrack an der bröckelnden Mauer. Menschen hasteten hin und her. Cortez blieb stehen und begann zu denken.
Er konnte sich entsinnen, einen Pickup mit riesigen Reifen vorm Konferenzzimmer gesehen zu haben, und ging hinüber. Das ganze
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