06 - Der Schattenkrieg
nun ausgezogen. Ich bedaure, daß Unbeteiligte in der Nähe waren. Wenn es einen Weg gäbe, diese Kerle direkt zu erwischen, ohne daß Unschuldige verletzt werden, können Sie sicher sein, daß wir ihn wählen würden. Es gibt aber leider keinen.« Ritter war fassungslos. Cutter war angeblich Marineoffizier; ein Beruf, bei dem das Töten zum Geschäft gehört. Natürlich hatte er den größten Teil seiner Karriere im Pentagon verbracht und nichts als einen Schreibtisch kommandiert, und Blut hatte er vermutlich seit seinen ersten Rasierversuchen nicht mehr gesehen. Ein Schaf im Wolfspelz also. Nein, verbesserte sich Ritter, schlicht ein Schaf. Der Mann steckte dreißig Jahre in Uniform und hatte vergessen, daß echte Waffen nicht ganz so präzise töten wie im Film. Und ausgerechnet dieser Held beriet den Präsidenten in Fragen der nationalen Sicherheit. Großartig.
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Admiral. Wenn Sie den Medien nichts sagen, schweige ich auch. Hier ist das Interzept. Cortez meint, es sei eine Autobombe gewesen. Clark muß die Sache so gedeichselt haben, wie wir hofften.«
»Und wenn die lokale Polizei ermittelt?«
»Erstens wissen wir nicht, ob die überhaupt auf das Grundstück gelassen wird. Zweitens, wie kommen Sie darauf, daß sie über die erforderlichen Mittel verfügt. Ich habe mich sehr bemüht, eine Autobombe vorzutäuschen, und selbst Cortez ist darauf hereingefallen. Drittens: Glauben Sie denn, daß das die Polizei auch nur einen Dreck schert?«
»Aber die Medien!«
»Sie haben nichts als die Medien im Kopf. Sie haben sich dafür ausgesprochen, daß wir diesen Narcos auf den Pelz rücken. Und jetzt wollen Sie es sich auf einmal anders überlegen? Zu spät«, meinte Ritter angewidert. Das war die erfolgreichste Operation seines Direktorats seit Jahren gewesen, und ausgerechnet der Mann, der die Idee gehabt hatte, machte sich jetzt in die Hosen. Der Admiral war viel zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, um sich über Ritters Beschimpfungen aufzuregen. Er hatte dem Präsidenten zwar die präzise Auslöschung der für den Anschlag auf Direktor Jacobs Verantwortlichen vorgeschlagen, mit dem Tod »Unschuldiger« aber nicht gerechnet. Und, was noch wichtiger war, WRANGLER auch nicht.
Chavez war zu weit im Süden und hörte die Explosion nicht. Der Zug belauerte einen weiteren Verarbeitungsplatz. Gerade stellten zwei Männer unter der Aufsicht mehrerer Bewaffneter die Wanne auf, und er konnte das Ächzen und Murren anderer hören, die den Berg hochkletterten. Vier Bauern erschienen und trugen Rucksäcke mit Säurekanistern. Zwei Schützen begleiteten sie. Die Nachricht hat sich offenbar noch nicht herumgesprochen, dachte Ding, der damit gerechnet hatte, daß die Aktivitäten des Zuges gewisse Leute davon abhalten würden, ihr Einkommen auf diese Weise aufzubessern. An die Möglichkeit, daß diese Männer nur so ihre Familien ernähren konnten, dachte der Sergeant nicht.
Zehn Minuten später schleppten sechs Mann die Cocablätter an, eskortiert von fünf Bewaffneten. Die Arbeiter gingen mit Leinwandeimern an einen nahen Bach, um Wasser zu holen. Der Chef der Wächter befahl zwei seiner Leute als Wachposten in den Wald, und nun ging die Sache schief. Einer der beiden lief geradewegs auf das fünfzig Meter entfernte Angriffsteam zu.
»Verflucht«, meinte Vega. Chavez drückte viermal auf die Sprechtaste das Signal für Gefahr. Hab’s gesehen, bestätigte der Captain mit zweimaligem Druck auf die Taste. Dann drei Signale: Bereitmachen.
Oso baute sein MG auf und entsicherte es. Chavez hoffte nur, daß sie den Mann lautlos ausschalten konnten. Die Männer mit den Eimern kamen gerade zurück, als Chavez von links einen Schrei hörte. Die Bewaffneten unter ihm reagierten sofort. Dann eröffnete Vega das Feuer.
Die plötzlichen Schüsse aus einer anderen Richtung lösten bei den Wächtern Konfusion aus, aber sie reagierten so, wie es Leute mit automatischen Waffen unweigerlich tun sie schössen in alle Richtungen.
»Scheiße!« zischte Ingeles und feuerte seine Gewehrgranate aufs Ziel. Sie landete zwischen den Säurebehältern, explodierte und besprühte alle in der Umgebung mit Schwefelsäure. Überall Leuchtspurgeschosse, Männer fielen, aber das Ganze war so wirr und ungeplant, daß die Soldaten die Übersicht verloren. Nach einigen Sekunden wurde das Feuer eingestellt. In Sichtweite lagen alle am Boden. Kurz darauf erschien das Angriffsteam, und Chavez hastete zu ihm hinunter. Er zählte die
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