06 - Der Schattenkrieg
dem Fall zwar nichts zu tun gehabt, sah in dieser Eröffnung aber ein Beispiel für alles, was im Staat nicht stimmte. Die Piraten saßen in dem Gefängnis, in dem auch seine Gefangenen »zu Gast« waren.
Der Justizvollzugsbeamte gab wieder, was er wußte, und das war nicht viel. Irgendeine technische Kleinigkeit, eine Verfahrensfrage war dazwischengekommen. Sehr genau hatte der Richter es nicht erklärt. Davidoff war aufgebracht, konnte aber nichts tun. »Die Wege des Herrn sind wundersam«, schloß der fromme Beamte und setzte noch eine Lüge obendrauf: »Die Männer, die Sergeant Braden und seine Frau ermordeten, bekamen den Auftrag dazu von den Piraten, wie das FBI vermutet.« »Sind Sie da ganz sicher?« fragte der Kriminalbeamte. »Absolut.« Der Beamte trank sein Mineralwasser aus und stellte das Glas ab.
»Gut«, meinte der Polizist. »Vielen Dank. Von Ihnen haben wir natürlich nichts erfahren.« Der Justizbeamte ging, und der Lieutenant setzte sich in eine Nische zu ein paar Kollegen. Bald kam man überein, daß die Piraten nicht so einfach davonkommen durften. Sie waren des Mordes und der Vergewaltigung schuldig und vermutlich auch mitschuldig an einem Mord, der die Polizei von Mobile direkt betraf. Schon ging auf den Straßen die Parole um, daß die Polizei bei Dealern von nun an erst schoß und dann Fragen stellte.
»Und wer soll das erledigen?« fragte ein anderer Polizist. »Wie war’s mit den Patterson-Boys?« fragte der Lieutenant. »Ah«, meinte der Captain, dachte kurz nach und erklärte dann: »Gut.« Die beiden Bauern trafen in der Abenddämmerung in Medellin ein. Cortez war mittlerweile gründlich frustriert. Acht Leichen, die beseitigt werden mußten in Medellin stellte das kein großes Problem dar
- und ganz umsonst, dessen war er sich jetzt sicher. Wo also war die undichte Stelle? Drei Frauen und fünf Männer hatten gerade mit ihrem Tod bewiesen, daß sie es nicht gewesen waren. Die beiden letzten hatte man mit Kopfschüssen getötet; die anderen waren unter weniger gnädigen Umständen gestorben. Der Rest sah furchtbar aus; Cortez fühlte sich beschmutzt.
Mit den beiden Bauern traf er sich in einem anderen Zimmer auf einem anderen Stockwerk, nachdem er sich die Hände gewaschen und sich umgezogen hatte. Die beiden hatten Angst, aber zu Cortez’ Verwunderung nicht vor ihm. Erst nach mehreren Minuten verstand er den Grund. Nachdem sie hastig und unzusammenhängend ihre Geschichte erzählt hatten, begann er ihnen gezielte Fragen zu stellen.
»Ihre Waffen waren keine AK-47«, erklärte einer ganz sicher. »Sie klangen anders.« Der zweite Mann zuckte die Achseln; er konnte eine Waffe nicht von der anderen unterscheiden. »Habt ihr jemanden gesehen?«
»Nein. Als der Krach losging und geschossen wurde, sind wir weggelaufen.«
Sehr vernünftig, dachte Cortez. »Krach? Haben Sie Stimmen gehört? In welcher Sprache?« »In unserer natürlich. Sie rannten hinter uns her, kriegten uns aber nicht. In den Bergen kennen wir uns nämlich aus«, fügte der Waffenexperte hinzu.
»Und sonst habt ihr nichts gesehen oder gehört?«
»Nur Schüsse, Explosionen und das Mündungsfeuer.«
»Wart ihr schon oft an dem Ort, an dem es passierte?«
»Ja, Señor, dort machen wir immer die Paste.«
»Stimmt, da gehen wir schon seit einem Jahr hin«, bestätigte der andere.
»Sie werden niemandem sagen, daß Sie hier waren. Sie werden niemandem erzählen, was Sie wissen«, befahl Cortez.
»Und die Familien von…«
»Ihr sagt keinen Ton«, wiederholte Cortez ernst und leise. Die beiden spürten die Gefahr. »Ihr werdet belohnt, und die Familien der anderen bekommen eine Entschädigung.«
Cortez hielt sich für einen fairen Mann. Diese beiden Bergbauern hatten ihm einen guten Dienst geleistet und sollten angemessen entlohnt werden. Er wußte zwar noch immer nicht, wo die undichte Stelle war, aber wenn es ihm gelang, sich ein Mitglied dieser Bande M-19 zu schnappen… Doch irgendwie hatte er das Gefühl, daß Gefahr aus einer anderen Richtung drohte. Amerikaner?
Chavez wußte, daß Rochas Tod sie nur noch entschlossener gemacht hatte. Captain Ramirez nahm es schwer, aber das war von einem guten Offizier zu erwarten. Ihre neue Position war nur zwei Meilen von einer Kaffeeplantage und zwei Meilen von einem weiteren Verarbeitungsplatz entfernt. Ramirez saß allein. Sein Verstand konnte akzeptieren, daß der Tod eines seiner Männer zum Berufsrisiko gehörte, aber sein Gefühl redete ihm ein, versagt zu haben. Ramirez hatte
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