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06 - Der Schattenkrieg

06 - Der Schattenkrieg

Titel: 06 - Der Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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einen für Truppenführer im Gefecht typischen Fehler begangen: Er war ihnen zu nahe gekommen. Er sah in ihnen nicht mehr entbehrliches Menschenmaterial, sondern Persönlichkeiten. Rocha war kein grüner Rekrut gewesen, sondern ein erfahrener und geschickter Berufssoldat. Also habe ich versagt, dachte Ramirez und nahm sich vor, in Zukunft besser aufzupassen.
    Die Videokassetten trafen kurz nach dem Mittagessen ein. In Ritters Büro standen zwei Fernsehgeräte und zwei Videorecorder. Er sah sich die beiden Bänder allein an und drückte auf die Suchlauftaste, bis sie einigermaßen synchron liefen. Das Band aus dem Flugzeug gab nicht viel her. Man sah nur den Laserpunkt und den schwachen Umriß des Hauses, zuletzt den Explosionsblitz. Clarks Band war viel besser. Da stand das Haus mit den hellen Fenstern, umstanden von Wächtern jene, die rauchten, sahen aus wie Glühwürmchen. Dann die Bombe. Wie ein Hitchcock-Film, dachte Ritter. Der Zuschauer weiß, was gleich passieren wird, aber die Personen auf der Leinwand nicht. Sie liefen ziellos umher, ohne zu ahnen, daß sie in einem Drama agierten, dessen Drehbuch der Stellvertretende Direktor (Operationen) der Central Intelligence Agency verfaßt hatte. Aber… »Komisch«, sagte Ritter und ließ das Band zurücklaufen. Sekunden vor der Detonation war ein neuer Wagen am Tor aufgetaucht. »Und wer bist du wohl?« fragte er den Bildschirm. Dann ließ er das Band bis zu einem Punkt nach der Explosion vorlaufen. Das Auto, ein BMW, war von der Druckwelle umgeworfen worden, aber der Fahrer kletterte Sekunden später heraus und zog eine Pistole.
»Cortez…« Ritter schaltete auf Standbild. Viel konnte er nicht erkennen. Während alle anderen ziellos umherrannten, blieb dieser Mann von durchschnittlichem Körperbau eine Weile ruhig stehen, trank dann am Springbrunnen und schaute sich die Explosionsstelle an. Anders als die Männer des Kartells, die in Panik in den Trümmern wühlten, wollte dieser offenbar schon herausfinden, was geschehen war. Kurz vor dem Ende der Aufnahme bekam Ritter das beste Bild von Cortez zu sehen das muß er sein, dachte er. Denkt nach, schaut sich prüfend um. Ein Profi.
»Verflucht, das war knapp!« hauchte Ritter. »Eine Minute noch, und du hättest dein Auto bei den anderen abgestellt. Eine Minute nur!« Ritter nahm die Bänder aus den Geräten und legte sie in seinen Panzerschrank, der auch alles Material zu EAGLE EYE, SHOWBOAT und REZIPROZITÄT enthielt. Beim nächsten Mal erwischen wir dich… doch dann kamen ihm Zweifel. Hatte Cortez denn überhaupt etwas mit dem Attentat zu tun?
»Himmel noch mal!« sagte Ritter laut. Er war davon ausgegangen, daß… warum aber den Anschlag planen und dann nach Amerika kommen? Laut Aussage der Sekretärin hatte er sich nicht ernsthaft bemüht, Informationen aus ihr herauszuholen. Die Taktik war klassisch. Erstens: Zielperson verführen. Zweitens: Feststellen, ob ihr Informationen zu entlocken sind. Drittens: die Beziehung festigen - und dann ausnutzen. Wenn Ritter die Indizien richtig interpretierte, war Cortez bei Punkt drei noch gar nicht angelangt gewesen… Denkbar also, daß Cortez mit dem Attentat nichts zu tun gehabt hatte. Vermutlich hatte er seine Informationen automatisch weitergegeben, ohne von der Aktion des FBI gegen die Finanzen des Kartells zu wissen. Und er war nicht in Kolumbien gewesen, als die Entscheidung zum Schlag gegen den Direktor fiel. Mit Sicherheit hätte sich Cortez dagegen ausgesprochen. Warum zuschlagen, wenn man gerade auf eine vorzügliche Informationsquelle gestoßen ist?
Cortez mußte also wütend auf das Kartell sein. So wütend wie Ritter auf Admiral Cutter. Zum ersten Mal stellte sich Ritter die Frage, was Cortez eigentlich wirklich im Schild führte. Hatte er sich einfach aus Kuba abgesetzt, um Söldner zu werden? Vermutlich; das Kartell hatte ihn angeheuert, um sich seine Erfahrungen zunutze zu machen, und sah in ihm nicht mehr als einen Söldner. Genauso, wie sie kolumbianische und sogar amerikanische Polizisten kauften. Ein in Moskau ausgebildeter Geheimdienstmann aber fiel in eine andere Kategorie als ein Polizist. Cortez beriet sie und mußte sie nun des Vertrauensbruchs bezichtigen. Zumindest hatten sie in seinen Augen sehr unklug gehandelt, denn der Mord an Emil Jacobs war eine nicht von der Vernunft, sondern von Emotionen diktierte Handlung gewesen.
»Warum ist mir das nicht früher eingefallen?« grollte Ritter vor sich hin. Die Antwort: Weil er die Augen

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