06 - Der Schattenkrieg
darf.«
Nachdem Dr. Elliot pikiert den Raum verlassen hatte, schloß und verriegelte Jack die Tür. Gewiß, er hatte im Flugzeug ein paar Bierchen zuviel getrunken, aber andererseits war er auch noch nie so provoziert worden.
Dr. Elizabeth Elliot begab sich zurück nach unten und betrat den Raum, in dem Arnold van Damm, Fowlers Wahlkampfmanager, noch an der Arbeit saß. »Nun, E. E. was hat er gesagt?« »Er schützt Unwissenheit vor. Ich glaube, er lügt.«
»Und sonst?« fragte van Damm. »Er ist arrogant, unverschämt und frech.«
»Genau wie Sie, Beth.« Beide mußten lachen. Van Damm hatte gerade eine von Congressman Alan Trent, dem Vorsitzenden des für die Überwachung der Geheimdienste zuständigen Ausschusses verfaßte Beurteilung von Jack Ryan durchgelesen. Von Elizabeth Elliot hatte er erfahren, daß Ryan den Abgeordneten bei einem Empfang angegriffen und einen Schwulen geheißen hatte. Trent war ein Mensch, der eine Beleidigung nie vergaß oder verzieh. In seinem Bericht über Ryan aber benutzte er zu van Damms Erstaunen Ausdrücke wie hochintelligent, mutig und aufrichtig.
Das wird die dritte erfolglose Nacht, vermutete Chavez. Sie waren seit Sonnenuntergang unterwegs und hatten gerade den zweiten vermuteten Verarbeitungsplatz passiert und alle Anzeichen entdeckt von der Säure verfärbter Boden, festgetrampelte Erde, Abfall, aber keine Menschen. Die Spur war kalt, die Plätze lagen verlassen da. Ding wußte, daß er damit hätte rechnen sollen. In allen Diensthandbüchern und Vorträgen war betont worden, daß Gefechtseinsätze ein wildes Gemisch aus Langeweile und Grauen sind Langeweile, weil die meiste Zeit nichts passierte, und Grauen, weil »es« jeden Augenblick eintreten konnte. Nun verstand er, wie Männer draußen im Feld lasch und nachlässig werden konnten. Bei Übungen wußte man immer, daß etwas passieren würde. Die Armee verschwendete keine Zeit mit Manövern, bei denen die Feindberührung ausblieb. Dazu waren Übungen zu kostspielig. Und nun bekam er es mit der lästigen Tatsache zu tun, daß echte Gefechtseinsätze nicht so aufregend sind wie Übungen, aber weitaus gefährlicher. Der Widerspruch bereitete dem jungen Mann Kopfschmerzen.
Dabei tat ihm ohnehin schon alles mögliche weh. Er schluckte jetzt wegen Muskelschmerzen und geringfügigen Verrenkungen alle vier Stunden zwei Tylenol und lernte schon früh, daß harte körperliche Belastung kombiniert mit psychischem Streß einen rasch altern läßt. Er war zwar nicht erschöpfter als ein Büroangestellter nach einem langen Tag, aber die Mission und die Umgebung verstärkten alles, was er fühlte. Freude oder Trauer, Euphorie oder Depression, hier unten empfand man das alles intensiver. Kurz: Gefechtseinsätze waren kein Vergnügen. Warum gefielen sie ihm… nein, gefallen war nicht das rechte Wort… Chavez verdrängte den Gedanken, der seine Konzentration beeinträchtigte.
Chavez wußte nicht, daß er damit die Antwort auf seine Fragen gefunden hatte. Ding Chavez war der geborene Kämpfer. So wie ein Unfallchirurg, der sich auch nicht an den zerschmetterten Gliedern seiner Patienten erfreut, hätte Chavez lieber an der Bar neben einem hübschen Mädchen gesessen oder sich mit Freunden ein Footballspiel angesehen. Der Chirurg aber wußte, daß von seinem Geschick am Operationstisch das Leben seiner Patienten abhing, und Chavez war klar, daß von seinen Fähigkeiten der Erfolg der Mission abhing. Dies war seine Funktion, hier gehörte er hin. Über die Mission war er sich ganz im klaren, wenn er nicht gerade konfus war, und auch über diesen Zustand empfand er auf eine seltsame Weise Klarheit. Seine Sinne tasteten wie Radar die Bäume ab, filterten Vogelzwitschern und das Rascheln kleiner Tiere heraus es sei denn, diese Geräusche sagten ihm etwas Besonderes. In ihm standen Angst und Selbstvertrauen in perfektem Gleichgewicht. Er war eine Waffe seines Landes. Das verstand er, trotz seiner Angst, Langeweile, Müdigkeit und seiner Sorge um seine Kameraden. Chavez war nun eine atmende, denkende Maschine, deren einziger Zweck die Vernichtung der Feinde seines Landes war. Der Job war schwer, aber er war der richtige Mann dafür.
Dennoch gab es in dieser Nacht nichts zu entdecken. Die Spuren waren kalt, die Verarbeitungsplätze verlassen. Chavez machte an einem vorherbestimmten Sammelpunkt halt und wartete auf den Rest des Zuges. Er schaltete sein Nachtsichtgerät ab und trank einen Schluck Wasser. Wenigstens kam das Wasser hier aus klaren
Weitere Kostenlose Bücher