06 - Der Schattenkrieg
glauben Sie mir, oder Sie glauben mir nicht. Ich kann nur versuchen, Sie zu überzeugen. Und vielleicht liege ich manchmal auch falsch«, gestand Jack, der sich wieder beruhigte, zu. »Mehr als mein Bestes kann ich nicht geben. Darf ich nun auch eine Weisheit an Sie weitergeben?«
»Nur zu.«
»Die Welt ist nicht immer so, wie wir sie uns wünschen. Aber Wunschdenken ändert sie nicht.« Fowler war amüsiert. »Ich soll also immer auf Sie hören, auch wenn Sie im Irrtum sind? Was, wenn ich weiß, daß Sie sich irren?«
Nun hätte ein herrliches philosophisches Streitgespräch folgen können, aber Ryan wußte, daß er geschlagen war. Er hatte gerade neunzig Minuten vergeudet und unternahm nun einen letzten Versuch, die Lage zu retten.
»Governor, auf der Welt gibt es Raubtiere. Ich mußte meine Tochter einmal am Rande des Todes im Krankenhaus liegen sehen, weil jemand, der mich haßte, versucht hatte, sie umzubringen. Ich versuchte, die Lage wegzuwünschen, aber das ging nicht. Hoffentlich kommen Sie niemals in eine solche Situation.«
»Vielen Dank für den Vortrag, Mr. Ryan. Auf Wiedersehen.« Ryan sammelte seine Papiere ein und ging, entsann sich dabei vage einer Stelle in der Bibel: Er war gewogen und für zu leicht befunden worden; von dem Mann, der der nächste Präsident werden konnte. Noch beunruhigender fand er seine Reaktion: Scheiß drauf.
»Raus aus den Federn, großer Bruder!« rief Tim Jackson. Robby machte ein Auge auf und sah Tim neben dem Sofa stehen. »Zeit für den Morgenlauf.«
Captain Jackson war sehr fit und obendrein Kendo-Meister. »Warte nur, dich häng ich ab.« Hochmut kommt vor dem Fall, sagte er sich fünfzehn Minuten später und wäre mit einem Fall einverstanden gewesen: Am Boden hätte er sich nämlich wenigstens ein paar Sekunden ausruhen können. Er brach den Lauf nach zwei Meilen ab und ging geschlagen zurück, um das Frühstück zu richten.
»Nimm’s nicht so schwer, Rob«, tröstete sein Bruder später am Tisch. »Laufen gehört bei mir zum Beruf. Dafür kann ich keine Flugzeuge steuern.«
»Halt die Klappe und trink deinen Saft.«
»Wo warst du eigentlich?«
»An Bord der Ranger. Das ist ein Flugzeugträger. Ich habe Übungen vor Panama beobachtet.« »Ah, da unten, wo die Bomben losgehen«, merkte Tim an und bestrich eine Scheibe Toast. »Hat’s letzte Nacht wieder gekracht?« fragte Robby. Wäre kein Wunder.
»Wir haben wieder einen Drogenbaron erwischt. Ich frage mich, wie die Jungs die Bomben ins Ziel bringen.«
»Wie meinst du das?« fragte Robby. Hier stimmte etwas nicht. »Komm, Rob, ich weiß genau, was abgeht. Das sind unsere Leute.«
»Da komm ich nicht mit.« Lieutenant Timothy Jackson von der Infanterie beugte sich über den Tisch. »Paß auf, ich weiß ja, daß die Sache geheim ist, aber da blickt doch jeder Schwachkopf durch. Einer meiner Männer ist im Augenblick da unten. Denk doch mal mit. Einer meiner besten Sergeants verschwindet und taucht auf seinem neuen Posten nicht auf. Niemand bei der Army hat eine Ahnung, wo er steckt. Er spricht Spanisch. Genau wie andere Männer, die verschwanden. Munoz und León und zwei andere. Und plötzlich geht da unten im Cocaland die Post ab.«
»Hast du mit jemandem darüber gesprochen?«
»Warum? Ich mache mir Sorgen um Chavez, aber der ist ein erstklassiger Soldat. Meinetwegen kann der so viele Narcos umlegen, wie er Lust hat. Mich interessiert nur, wie sie die Bomben ins Ziel bringen.«
Das hat die Navy erledigt, hätte Robby beinahe gesagt. »Tim, es gibt bei uns zwar Leute, die so denken wie du, aber über so etwas redet man nicht. Geheimhaltung, klar?«
»Sag mal, Robby, kennst du nicht jemanden, der in der CIA ganz oben sitzt?«
»Ja, der Pate von Jack junior.«
»Richte ihm von uns aus, sie sollten zuschlagen, so hart sie wollen.«
»Gut, wird gemacht«, erwiderte Robby leise. Es mußte eine CIA-Operation sein, eine sehr »schwarze«, aber doch nicht schwarz genug, wenn ein grüner Lieutenant dahinterkam. Die Bombenmannschaft auf der Ranger, Personaloffiziere und Unteroffiziere in der ganzen Army, inzwischen mußten viele Leute durchgeblickt haben. Robby vergatterte seinen Bruder zum Stillschweigen und beschloß, seinen Freund Jack Ryan zu warnen.
22
Eröffnungen
Anders als Generälen der Air Force und Army stehen den meisten Admiralen der Navy keine Dienstmaschinen zur Verfügung, und so müssen sie Linienmaschinen benutzen. An der Ankunft wartete ein aus Adjutanten und Chauffeuren bestehendes Gefolge, und Robby
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