06 - Der Schattenkrieg
Kontakt mit mir aufnehmen?«
»Nein, aber das wäre eine gute Idee.«
Die Ruhe hatte allen gutgetan. Der Muskelkater hatte nachgelassen, und alle hofften, nach ein paar Stunden Bewegung wieder lockere Glieder zu haben. Captain Ramirez versammelte seine Männer und erklärte ihnen die neue Lage. Er hatte über Satellit mit VARIABEL gesprochen und gebeten, daß man sie heraushole. Das Ersuchen war positiv aufgenommen worden, müsse aber leider, fuhr er fort, von einer höheren Stelle genehmigt werden. Außerdem würde am Hubschrauber gerade ein Triebwerk ausgewechselt. Das bedeutete, daß sie noch eine Nacht, vielleicht auch zwei, hier im Land verbringen mußten. Bis dahin lautete ihr Befehl, jeglichen Kontakt zu vermeiden und sich an eine günstige Bergungsstelle zu begeben. Diese war bereits identifiziert und lag fünfzehn Kilometer weiter südlich. Der Auftrag für diese Nacht hieß also, die Gruppe, von der sie verfolgt wurden, zu umgehen. Nicht einfach, aber wenn sie das hinter sich hatten, war der Weg durch ein bereits gesäubertes Gebiet frei. In der kommenden Nacht wollten sie acht oder neun Kilometer zurücklegen, den Rest in der Nacht darauf. Auf jeden Fall war die Mission zu Ende; sie zogen sich zurück. Die von Team BANNER zu ihnen gestoßenen Männer bildeten einen dritten Trupp und verstärkten ihre bereits beträchtliche Feuerkraft noch weiter. Alle hatten noch mindestens zwei Drittel der ursprünglich ausgegebenen Munition. Nur die Verpflegung wurde knapp, aber für zwei Tage reichte sie noch, wenn niemand sich über knurrende Mägen aufregte. Ramirez endete seinen Vortrag optimistisch. Es war nicht einfach gewesen, aber sie hätten ihren Auftrag erfüllt und den Narcos echten Schaden zugefügt. Nun brauchten sie sich nur noch zusammenzunehmen und auf die Bergung zu warten. Die Männer nickten sich zu und bereiteten sich auf den Aufbruch vor.
Zwanzig Minuten später übernahm Ramirez die Führung. Sie blieben so hoch wie möglich in den Bergen, denn der Gegner neigte dazu, seine Lager in tieferen Lagen aufzuschlagen. Er war auch bemüht, alles, was nach einer menschlichen Ansiedlung aussah, zu meiden. Das bedeutete, daß sie einen weiten Bogen um Kaffeeplantagen und die dazugehörenden Dörfer schlagen mußten, aber das hatten sie ja bisher ohnehin getan. Außerdem mußten sie so schnell vorankommen, wie es die Vorsicht zuließ, was bedeutete, daß man die Vorsicht etwas außer acht ließ. Bei Übungen tat man das oft. Ding war nach seinen Erfahrungen im Feld weniger optimistisch. Positiv fand er allerdings, daß Ramirez sich wieder wie ein Offizier verhielt. Vielleicht war der Mann nur erschöpft gewesen. Angenehm an der Nähe der Kaffeeplantagen war das weniger dichte Unterholz. Die Plantagenarbeiter holten sich ihr Brennholz aus dem Wald und dünnten das Dickicht aus. Chavez kam rascher als erwartet voran, schaffte zwei Kilometer pro Stunde, aber um Mitternacht spürte er jeden Meter, den er zurücklegte, in den Beinen. Erschöpfung, lernte er wieder einmal, ist ein sich mehr und mehr steigernder Faktor, und man brauchte einen Tag, um ihre Nachwirkungen abzuschütteln, ganz gleich, wie fit man auch war. Chavez fragte sich auch, ob die große Höhe etwas mit seiner Müdigkeit zu tun hatte. Wie auch immer: Er war bemüht, das Tempo zu halten, wachsam zu bleiben, sich die Route zu merken. Infanterieoperationen strengen den Verstand mehr an, als die meisten Leute ahnen, und der Verstand ist immer das erste Opfer der Müdigkeit.
Er entsann sich, auf der Karte ein kleines Dorf gesehen zu haben, einen halben Kilometer von seinem augenblicklichen Standort entfernt und tiefer gelegen. Vor einem Kilometer hatte er sich an einer Landmarke nach rechts gewandt, und von dort hörte er nun Geräusche. Seltsam: Die Bauern mußten auf den Plantagen hart arbeiten, hatte er gehört, und sollten jetzt eigentlich schlafen. Ding überhörte das typische Signal. Den Schrei aber, eher ein Keuchen, überhörte er nicht.
Er schaltete sein Nachtsichtgerät ein und sah eine Gestalt auf sich zueilen ein Mädchen, das sich geschickt durchs Unterholz schlug. Hinter ihr der Lärm einer zweiten Person, die sich weniger geschickt verhielt. Chavez gab über Funk das Signal für Gefahr. Hinter ihm hielt der Zug an und wartete auf sein Zeichen »alles klar«.
Das sollte ausbleiben. Das Mädchen stolperte und änderte die Richtung. Wenige Sekunden später stolperte es wieder und landete direkt vor Chavez’ Füßen.
Mit der rechten Hand
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