06 - Der Schattenkrieg
Agenten, was bedeutete, daß er diesen ekelhaften Job nicht einfach abschieben konnte. Sie hatten die Möglichkeit, sich einen Durchsuchungsbefehl für Cutters Haus zu besorgen, erst gar nicht erwogen, und Einschleichen ohne richterliche Genehmigung kam überhaupt nicht in Frage. Cutters Frau war wieder da und kommandierte das Personal herum. Andererseits hatte das Oberste Bundesgericht vor ein paar Jahren entschieden, zur Durchsuchung von Hausabfällen sei keine richterliche Genehmigung erforderlich. Nun konnte Pat O’Day kaum noch die Arme heben, nachdem er ein paar Tonnen stinkender Müllsäcke in einen weißen Müllwagen geladen hatte. Das VIP-Viertel von Fort Myers war eine militärische Einrichtung und wurde entsprechend geführt; Mülltonnen hatten an bestimmten Sammelpunkten für jeweils zwei Häuser zu stehen. O’Day hatte die Säcke vorm Aufladen markiert, und nun standen fünfzehn in einem der vielen Laboratorien des FBI. An Positivem war nur zu vermerken, daß die Entlüftungsanlage funktionierte und daß mehrere Dosen Raumspray zur Verfügung standen für den Fall, daß die Gesichtsmasken der Techniker den bestialischen Gestank nicht abhalten konnten. O’Day befürchtete, für den Rest seines Lebens von einem Geschwader Schmeißfliegen verfolgt zu werden. Der Abfall wurde auf einer großen weißen Platte ausgebreitet und untersucht: Kaffeesatz, angeknabberte Croissants, ein schleimiges Baiser und mehrere Wegwerfwindeln, bei Cutters Nachbarn war die kleine Enkelin zu Besuch… »Na also!« rief ein Techniker und hielt eine Computerdiskette hoch. Obwohl er Handschuhe trug, faßte er sie nur am Rand an und ließ sie dann in einen Plastikbeutel fallen. O’Day trug den Beutel ein Stockwerk höher, um ihn auf Fingerabdrücke untersuchen zu lassen. Oben machten zwei Techniker Überstunden. Sie hatten sich Cutters Abdrücke schon aus dem Zentralarchiv besorgt alle Angehörigen des US-Militärs werden so registriert - und ihre Ausrüstung, zu der auch ein Laser gehörte, aufgebaut.
»Wo lag das?« fragte einer. »Auf Zeitungen«, erwiderte O’Day. »Fein! Also kein Fett und gute Wärmeisolierung. Vielleicht besteht eine Chance.« Der Techniker nahm die Diskette aus dem Beutel und machte sich an die Arbeit. O’Day ging zehn Minuten lang im Raum auf und ab. »Da haben wir auf der Vorderseite einen Daumenabdruck mit acht Punkten und auf der Rückseite einen verwischten Ringfingerabdruck mit einem guten Punkt und einem sehr marginalen. Es sind auch noch Abdrücke von einer zweiten Person nachzuweisen, aber nicht mehr zu identifizieren.« Mehr, als unter den gegebenen Umständen zu erwarten gewesen war, dachte O’Day. Normalerweise erforderte eine Fingerabdruck-Identifizierung zehn Punkte Unregelmäßigkeiten bei den Tastlinien, aus denen sich ein Abdruck zusammensetzt, doch der Inspektor war sicher, daß Cutter die Diskette in der Hand gehabt hatte. Nun mußte nur noch festgestellt werden, was auf der Diskette war, und dazu begab er sich in ein anderes Labor.
Nach der Einführung der Personalcomputer war es nur noch eine Frage der Zeit gewesen, bis sie zu kriminellen Zwecken benutzt wurden. Für die Verfolgung solcher Mißbräuche hatte das FBI zwar eine eigene Abteilung eingerichtet, aber die nützlichste Unterstützung bekam es von privaten Beratern von Hackern. Der Mann, der nun auf O’Day wartete, galt in seinen Kreisen als Star, war fünfundzwanzig und studierte noch. Er trug lange Haare und einen Bart und wirkte etwas ungewaschen. O’Day reichte ihm die Diskette.
»Das ist streng geheim«, mahnte er. »Wie schön«, versetzte der Hacker. »Das ist eine Sony MFD2DD Microfloppy, zweiseitig, Doppel-Density, 135 TPI, wahrscheinlich für 800K formatiert. Was soll da drauf sein?«
»Genau können wir das nicht sagen. Wahrscheinlich ein Algorithmus zum Chiffrieren.« »Oho! Haben die Russen auf einmal den Bogen raus?«
»Das brauchen Sie nicht zu wissen«, sagte O’Day streng. »Ihr versteht aber auch gar keinen Spaß«, meinte der Mann und schob die Diskette ins Laufwerk, das an einen neuen Apple Macintosh IIx angeschlossen war. Die Festspeicherplatte für den Computer hatte der Hacker selbst entworfen. An ein Gerät von IBM, hatte O’Day gehört, setzte sich der Mann nur, wenn man ihm eine Pistole an die Schläfe hielt.
Die Programme, die er nun benutzte, waren von anderen Hackern geschrieben worden und dienten zur Rettung von Daten von beschädigten Disketten. Das erste hieß Rescuedata. Der Lesekopf
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