06 - Der Schattenkrieg
tastete die magnetischen Zonen auf der Diskette ab, übertrug die Daten auf den 8 MB-Speicher des IIx und fertigte zwei Kopien an. Eine davon auf Diskette. Nun konnte er das Original aus dem Laufwerk nehmen und an O’Day zurückgeben. Es kam sofort zurück in den Klarsichtbeutel.
»Die ist radiert worden«, sagte der Hacker dann. »Wie bitte?«
»Nicht über Eingabe gelöscht, also initialisiert, sondern nur radiert, vielleicht mit einem kleinen Magneten.«
»Mist!« bemerkte O’Day. Er wußte immerhin, daß magnetisch gespeicherte Daten durch magnetische Interferenz gelöscht werden konnten.
»Nur keine Aufregung. Wenn der Mann die Floppy initialisiert hätte, wäre nichts mehr zu machen, aber in diesem Fall ist er nur mit einem Magneten drüber gefahren. Verloren ist nur ein Teil der Daten. Geben Sie mir zwei Stunden Zeit; mal sehen, was ich rausholen kann… Moment, da ist was. Ein Vertauschungs-Algorithmus. Kommt mir ziemlich kompliziert vor.« Der Hacker drehte sich um. »Das kann eine Weile dauern.«
»Wie lange?«
»Wie lange hat Leónardo für die Mona Lisa gebraucht? Wie lange…« O’Day ergriff die Flucht, legte die Diskette in den Panzerschrank und ging dann duschen. Als er sich den Gestank abgewaschen hatte und im Jacuzzi saß, sagte sich O’Day, daß die Ermittlungen gegen Cutter sich recht günstig entwickelten.
»Sir, die sind einfach nicht mehr da.«
Ramirez gab den Kopfhörer zurück und nickte. Kein Zweifel mehr. Er warf Guerra einen Blick zu. »Ich glaube, die haben uns einfach vergessen.«
»Ist ja bestens, Captain. Und was tun wir jetzt?«
»Um ein Uhr sollen wir uns wieder melden. Geben wir ihnen noch eine Chance. Wenn wir bis dahin nichts hören, brechen wir auf.«
»Und wohin, Sir?«
»Erst mal raus aus den Bergen. Vielleicht können wir uns unten ein Fahrzeug besorgen und dann… verflucht, ich habe keine Ahnung. Wahrscheinlich haben wir genug Geld für Flugkarten dabei…« »Aber weder Pässe noch Ausweise.«
»Stimmt. Vielleicht schlagen wir uns zur Botschaft in Bogotá durch.«
»Das verstieße gegen ein Dutzend Befehle, Sir«, gab Guerra zu bedenken.
»Läßt sich nicht ändern. Die Männer sollen ihre letzten Rationen essen und sich ausruhen, denn sie müssen die ganze Nacht hellwach sein. Lassen Sie Chavez und León den Hang unter uns erkunden.« Ramirez brauchte nicht auszusprechen, was ihm Sorgen machte. Guerra war auf der gleichen Wellenlänge und verstand ihn.
»Alles klar, Captain«, beruhigte der Sergeant. »Wir kommen schon hier raus.«
Die Einsatzbesprechung dauerte fünfzehn Minuten. Die Männer waren unruhig und aufgebracht über ihre Verluste und hatten keine Vorstellung von der Gefahr, die ihnen drohte. Welcher Todesmut, dachte Cortez, welcher machismo. Arme Narren.
Ihr erstes Angriffsziel lag dreißig Kilometer entfernt, aus naheliegenden Gründen wollte er sich die nächstliegenden zuerst vornehmen. Nach Einbruch der Dunkelheit fuhren sechzehn mit je fünfzehn Mann besetzte Laster los. Cortez’ eigene Leute blieben natürlich zurück. Er hatte inzwischen zehn Mann rekrutiert, die nur auf seine Befehle hörten, und dabei eine gute Wahl getroffen: Diese Männer protzten nicht mit ihrer Herkunft und den Mordaufträgen, die sie brav erledigt hatten. Das einzige Auswahlkriterium war ihr Können gewesen. Die meisten waren Aussteiger von M-19 und FARC, die nach fünf Jahren genug vom Guerillakrieg hatten. Manche waren in Kuba oder Nicaragua ausgebildet worden und beherrschten die Grundlagen des Kriegshandwerks. Diese Männer waren Söldner, die sich nur für das Geld interessierten, das Cortez zahlte, und er hatte ihnen noch mehr versprochen. Entscheidend aber war, daß ihnen keine andere Wahl blieb. Die kolumbianische Regierung hatte keine Verwendung für sie. Das Kartell traute ihnen nicht. Und ihren Treueeid auf die marxistischen Gruppen, die politisch so korrupt waren, daß sie sich selbst beim Kartell verdingten, hatten sie gebrochen. Übrig blieb also nur Cortez. Für ihn töteten sie. Er hatte sie zwar noch nicht in seinen Plan eingeweiht, aber alle großen Bewegungen hatten mit einem kleinen harten Kern von Männern begonnen, deren Methoden ebenso zwielichtig waren wie ihre Ziele und die nur einem Mann treu ergeben waren. Das hatte Cortez beigebracht bekommen. Er glaubte zwar selbst nicht ganz daran, aber für den Augenblick reichte es aus. Er bildete sich nicht ein, eine Revolution anzuführen. Hier ging es eher um die Übernahme einer Firma. Cortez kehrte
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