06 - Der Schattenkrieg
Falls Sie es noch nicht wissen, Mister: Auf hoher See kann der Kapitän eines amerikanischen Kriegsschiffes tun und lassen, was er will. Sie hätten ihn nicht reizen sollen.«
»Und?«
»Und? Sie stehen hier vor einem Kriegsgericht, Sie Schwachkopf! Sie können zum Tode verurteilt werden gleich hier auf dem Schiff.«
»Quatsch!«
»Sagen Sie mir doch wenigstens, wie Sie heißen.«
»Leck mich!« sagte der Größere verächtlich. Der andere wirkte weniger selbstsicher. Der Lieutenant kratzte sich am Kopf.
»Was hatten Sie auf der Jacht verloren?« fragte er dann. »Besorgen Sie mir einen richtigen Anwalt!« »Mister, Sie werden mit mir vorlieb nehmen müssen«, meinte der Lieutenant. »Wird Ihnen das nicht langsam klar?«
Wie alle erwartet hatten, wollte der Mann ihm nicht glauben. Der Verteidiger führte seine Mandanten zurück an ihre Plätze.
»Die Verhandlung geht weiter«, verkündete Wegener. »Hat die Verteidigung eine Erklärung abzugeben?«
»Sir, die Angeklagten verweigern Angaben zur Person.«
»Das mißfällt dem Gericht. Im Lauf des Verfahrens werden wir Ihre Mandanten als John Doe und James Doe bezeichnen.« Wegener bedeutete mit einer Handbewegung, welchem er welchen Namen zuwies. »Wir beginnen mit Joe Doe. Irgendwelche Einsprüche? Gut, dann hat die Anklage das Wort.« Der Anklagevertreter sprach zwanzig Minuten lang und rief nur Chief Riley in den Zeugenstand, der vom Entern berichtete und das Videoband kommentierte.
»Machte der Angeklagte irgendwelche Aussagen?«
»Nein, Sir.«
»Beschreiben Sie bitte das Beweisstück in diesem Beutel«, sagte der Ankläger dann. »Sir, das ist ein Tampon, glaube ich. Er kommt mir gebraucht vor, Sir«, sagte Riley, peinlich berührt. »Ich fand ihn unter dem Couchtisch in der Hauptkabine der Jacht, und zwar dicht neben einem Blutfleck genauer gesagt, diesen beiden da auf dem Bild. Meiner Erfahrung nach lassen Frauen solche Objekte nicht einfach auf dem Boden liegen. Wenn aber jemand vorhatte, eine Frau zu vergewaltigen, müßte es im Weg gewesen sein. Es wurde wohl herausgenommen und weggeworfen. Im Hinblick auf die Stelle, an der ich den Tampon fand, und die beiden Blutflecken daneben, liegt so gut wie auf der Hand, was dort passiert ist, Sir.«
»Keine weiteren Fragen«, sagte der Vertreter der Anklage. »Ehe die Verteidigung beginnt, möchte das Gericht erfahren, ob sie außer den Angeklagten andere Zeugen beibringen will«, erklärte Wegener.
»Nein, Herr Vorsitzender.«
»Gut. Ich möchte mich nun direkt an die Angeklagten wenden.« Wegener blickte die beiden an und lehnte sich leicht vor. »Sir, Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern, ohne daß diese Tatsache vom Gericht gegen Sie verwandt wird. Falls Sie aussagen wollen, sind Sie nicht verpflichtet, dies unter Eid zu tun oder sich ins Kreuzverhör nehmen zu lassen. Sie haben auch die Möglichkeit, sich vereidigen und vom Vertreter der Anklage ins Kreuzverhör nehmen zu lassen. Haben Sie diese Rechtsbelehrung verstanden?«
»John Doe«, der das Verfahren in amüsiertem Schweigen verfolgt hatte, stand ungeschickt auf. Da seine Hände auf dem Rücken gefesselt waren, mußte er sich leicht vorbeugen, und da der Kutter nun heftig schlingerte, konnte er sich nur mit Mühe auf den Beinen halten.
»Was soll der ganze Quatsch?« fragte er aufsässig. »Ich will zurück in meine Koje und in Ruhe gelassen werden, bis ich mir selbst einen Anwalt besorgen kann.«
»Mr. Doe«, erwiderte Wegener, »darf ich Sie noch einmal darauf hinweisen, daß Sie wegen Seeräuberei, Notzucht und Mord vor Gericht stehen. Dieses Buch hier« der Captain hielt das Seerechtsbuch hoch »sagt, daß ich Ihnen auf der Stelle den Prozeß machen kann. Wenn das Gericht Sie für schuldig befindet, steht uns frei, Sie an die Rah zu knüpfen. Das hat die Küstenwache zwar seit fünfzig Jahren nicht mehr getan, aber Sie können mir ruhig glauben, wenn ich sage, daß meine Machtbefugnisse auf hoher See unbeschränkt sind. Das alte Seerecht ist nämlich nach wie vor gültig. Einen Anwalt wollen Sie? Bitte, hier haben Sie Mr. Alison. Sie wollen sich verteidigen? Bitte, nun haben Sie Gelegenheit dazu. Aber, Mr. Doe, gegen Entscheidungen dieses Gerichtes gibt es keine Revision. Denken Sie darüber gut nach.«
»Ist doch alles Kacke. Sie können mich mal!«
»Das Gericht nimmt diese Äußerung des Angeklagten nicht zur Kenntnis«, sagte Wegener und war bemüht, so beherrscht zu bleiben, wie es sich für den Vorsitzenden eines Kriegsgerichts ziemte.
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