06 - Der Schattenkrieg
Der Bootsmann hob ein Paar Handschellen. Er war zwar sicher, mit den beiden auch so fertig zu werden, aber der Skipper hatte eindeutige Anweisungen gegeben. Riley langte durch das Gitter, packte einen Mann und zerrte ihn zu sich heran. Auf einen groben Befehl hin drehte sich der Gefangene um und ließ sich die Schellen anlegen. Auch der andere leistete keinen Widerstand, was Riley wunderte. Nun öffnete der Bootsmann die Tür des Drahtkäfigs und winkte die beiden hinaus. Als Pablo an ihm vorbei ging, nahm er ihm die Zigarettenschachtel aus der Tasche und warf sie auf die untere Koje.
»Los schon.« Riley packte sie bei den Armen und marschierte los. Die beiden waren unsicher auf den Beinen, was wohl nicht nur am Seegang lag. Erst nach drei oder vier Minuten erreichten sie die Offiziersmesse.
»Die Gefangenen sollen Platz nehmen«, verkündete Wegener. »Die Sitzung des Seegerichts ist eröffnet.«
Beide blieben wie angewurzelt stehen, als sie das vernahmen. Riley führte sie zu ihren Plätzen am Tisch des Verteidigers. Nach einer Minute brach der Größere das Schweigen.
»Was soll das?«
»Sir«, erwiderte Wegener gleichmütig, »Sie stehen vor einem Kriegsgericht.« Das trug ihm nur einen neugierigen Blick ein. Er fuhr fort: »Der Vertreter der Anklage wird die Anklagepunkte verlesen.« »Herr Vorsitzender, die Angeklagten werden gemäß Paragraph elf Seekriegsrecht der Seeräuberei, der Notzucht und des vorsätzlichen Mordes beschuldigt. Die Einzelheiten: Am vierzehnten dieses Monats enterten die Angeklagten die Motorjacht Empire Builder, töteten die vier Personen an Bord, nämlich den Eigner, seine Frau und seine beiden minderjährigen Kinder. Weiterhin vergewaltigten sie die Ehefrau und die Tochter des Eigners und Kapitäns; darüber hinaus zerteilten die Beklagten die Leichen und entledigten sich ihrer. Die Anklage wird beweisen, daß diese Handlungen im Zusammenhang mit Rauschgiftschmuggel begangen wurden. Mord zusammen mit Verstößen gegen das Rauschgiftgesetz ist laut Strafgesetz der Vereinigten Staaten ein Kapitalverbrechen. Weiterhin sind Mord und Notzucht im Zusammenhang mit Seeräuberei laut Seekriegsrecht Kapitalverbrechen. Wie dem Gericht bekannt ist, fällt Seeräuberei unter das Völkerrecht, und demzufolge ist jeder Staat befugt, auf hoher See festgenommene Seeräuber zu bestrafen. Mord, einhergehend mit Seeräuberei ist, wie ich bereits ausführte, ein Kapitalverbrechen. Als Schiff der US-Küstenwache sind wir de jure befugt, jedes unter amerikanischer Flagge fahrende Schiff zu entern und zu durchsuchen, doch in diesem speziellen Fall ist diese Befugnis nicht unbedingt erforderlich. Es fällt also unter die Zuständigkeit dieses Gerichtes, den Angeklagten den Prozeß zu machen und sie nötigenfalls hinrichten zu lassen. Die Anklage erklärt hiermit ihre Absicht, in diesem Fall die Todesstrafe zu beantragen.«
»Vielen Dank«, sagte Wegener und wandte sich zur Anklagebank. »Haben Sie die Anklagepunkte verstanden?«
»Was?«
»Der Vertreter der Anklage hat gerade gesagt, daß Ihnen wegen Seeräuberei, Vergewaltigung und Mord der Prozeß gemacht werden soll. Sollten Sie für schuldig befunden werden, wird das Gericht entscheiden, ob Sie hingerichtet werden oder nicht. Sie haben das Recht auf einen Verteidiger; Lieutenant Alison, der mit Ihnen am Tisch sitzt, wird diese Rolle übernehmen. Haben Sie mich verstanden?« Es dauerte einige Augenblicke, bis die beiden das verdaut hatten. »Verzichtet die Verteidigung auf die volle Verlesung der Anklagepunkte und Einzelheiten?«
»Jawohl, Herr Vorsitzender. Sir, die Verteidigung beantragt die Verhandlung der Anklagepunkte in getrennten Verfahren und möchte sich mit Genehmigung des Gerichts mit ihren Mandanten beraten.« »Sir, die Anklage erhebt Einspruch gegen die Abtrennung.« Wegener hob die Hand. »Da es hier um Kapitalverbrechen geht, soll der Verteidigung der größtmögliche Spielraum gewährt werden. Dem Antrag der Verteidigung auf eine kurze Beratung mit den Mandanten wird stattgegeben. Das Gericht möchte der Verteidigung nahelegen, ihre Mandanten zur Preisgabe ihrer Personalien zu veranlassen.« Der Lieutenant nahm die beiden Männer, die noch Handschellen trugen, mit in eine Ecke und sprach leise mit ihnen.
»Ich heiße Lieutenant Alison und habe die undankbare Aufgabe, Ihnen den Hals zu retten. Zuerst können Sie mir einmal verraten, wie Sie heißen!«
»Was soll der Quatsch?« fragte der Größere. »Dieser Quatsch ist ein Kriegsgericht.
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