06 - Der Schattenkrieg
DDI war kein sentimentaler Mensch gewesen, hatte aber schon vor langem gebeten, neben seinem Sohn beerdigt zu werden; eine Bitte, der man angesichts seines Ranges entsprochen hatte.
Es war eine kleine und stille Zeremonie. Außer vielen Regierungsvertretern waren nur James’ engste Freunde gekommen. Anwesend waren der Präsident und auch das brachte Ritter auf Vizeadmiral James A. Cutter jr. In der Kapelle hatte der Präsident gesprochen und einen Überblick über eine fünfzig Jahre währende Karriere gegeben: mit siebzehn zur Marine, dann auf die Akademie, verdiente sich zwei Sterne, bekam nach dem Eintritt bei der CIA einen dritten dazu. »Solches Können, solche Integrität und solche Hingabe an das Land bewiesen nur wenige, und übertroffen hat ihn darin niemand«, faßte der Präsident zusammen.
Und dieses Dreckschwein Cutter hockt in der ersten Reihe und hört sich das seelenruhig an, dachte Ritter. Besonders aufgebracht war er, als die Ehrengarde vom 3. Infanterieregiment die Flagge vom Sarg nahm und zusammenfaltete. Es war niemand da, sie entgegenzunehmen. Ritter hatte erwartet, daß sie an Ryan gehen würde.
Doch wo war Ryan? Er wandte sich um. Erst jetzt vermißte er Ryan, denn Jack war nicht zusammen mit der CIA-Delegation aus Langley gekommen. Schließlich wurde die Flagge als Notlösung Richter Moore übergeben. Man drückte sich die Hände und tauschte Floskeln. Eine Gnade, daß es am Ende so schnell gegangen war. Jawohl, Männer wie dieser waren selten. Schade, die Greers waren nun ausgestorben. Zehn Minuten später saßen Ritter und Moore im Dienst-Cadillac und fuhren den George Washington Parkway entlang zurück nach Langley.
»Wo hat Ryan eigentlich gesteckt?« fragte Moore. »Keine Ahnung.« Moore war über die Taktlosigkeit aufgebracht. Noch immer hatte er die Flagge auf dem Schoß und hielt sie so vorsichtig wie ein Neugeborenes, ohne zu wissen, warum - bis ihm eine Erkenntnis kam: Sollte es einen Gott geben, wie ihm in seiner Jugend die Baptistenprediger versichert hatten, und sollte James wirklich eine Seele haben, dann hielt er sein bestes Vermächtnis in der Hand. Die Flagge fühlte sich warm an. Obwohl er wußte, daß das nur Einbildung war oder die Wärme der Morgensonne, schien ihn die von der Flagge, der James von Jugend an gedient hatte, ausgestrahlte Energie des Verrats zu beschuldigen. Sie hatten gerade einer Beerdigung beigewohnt, aber zweitausend Meilen entfernt waren andere Männer, die einen Auftrag von der CIA bekommen hatten und denen selbst ein Grab neben ihren Kameraden versagt blieb.
»Bob, was haben wir getan?« fragte Moore. »Wie sind wir da überhaupt hineingeraten?« »Das weiß ich auch nicht, Arthur.«
»James hatte noch Glück«, meinte der CIA-Direktor. »Wenigstens starb er mit…« »Reinem Gewissen?« Ritter schaute aus dem Fenster und konnte seinen Vorgesetzten nicht ansehen. »Hören Sie, Arthur…« Er hielt inne, weil er nicht wußte, was er sagen sollte. Ritter war seit den fünfziger Jahren bei der CIA und war vom Agentenführer zum Abteilungsleiter aufgestiegen. Er hatte Agentenführer und Agenten verloren, aber niemals einen Mann verraten. Nun, man tut halt alles zum ersten Mal, sagte er sich. Das gilt auch fürs Sterben, erkannte er nun plötzlich, und das ist die größte Prüfung. Wie stellt man sich der?
Die Fahrt nach Langley war kurz, und der Wagen hielt an, ehe er auf diese Frage eine Antwort gefunden hatte. Sie fuhren mit dem Aufzug nach oben. Moore ging in sein Büro. Ritter zog sich ebenfalls zurück. Der Kleinbus mit den Sekretärinnen war noch nicht zurück. Ritter ging in seinem Büro auf und ab, bis die Damen eingetroffen waren, begab sich dann zu Mrs. Cummings. »Hat Ryan angerufen?«
»Nein, und ich habe ihn auch nicht gesehen. Wissen Sie, wo er ist?« fragte Nancy. »Leider nicht«, versetzte Ritter, ging zurück in sein Büro und wählte Ryans Privatnummer, bekam aber nur den Anrufbeantworter. Er suchte sich die Nummer von Cathys Klinik heraus und erreichte sie über die Sekretärin.
»Bob Ritter. Ich muß wissen, wo Jack ist.«
»Das weiß ich nicht«, erwiderte Dr. Caroline Ryan reserviert. »Gestern sagte er mir, er müsse verreisen. Das Ziel nannte er mir aber nicht.«
Ritter bekam eine Gänsehaut. »Cathy, ich muß unbedingt wissen, wo er steckt. Die Sache ist sehr wichtig… ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie wichtig sie ist. Bitte vertrauen Sie mir. Ich muß wissen, wo er ist.«
»Ich weiß es doch selbst nicht! Soll das heißen,
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