06 - Der Schattenkrieg
Amerika?«
»Eine Geschäftsreise«, erwiderte Cortez. »Aha.« Der Beamte blätterte den Paß durch und sah zahlreiche Einreisestempel. Dieser Mann reiste viel, und im Lauf der vergangenen vier Jahre war das Ziel fast der Hälfte seiner Reisen die USA gewesen. Eingereist war er in Miami, Washington und Los Angeles. »Wie lange wollen Sie diesmal bleiben?«
»Fünf Tage.«
»Haben Sie etwas zu deklarieren?«
»Nur Kleider und Geschäftsunterlagen.« Cortez hob sein Bordcase. »Willkommen in Amerika, Mr. Diaz.« Der Beamte stempelte den Paß ab und gab ihn zurück.
»Danke.« Cortez holte an der Gepäckausgabe seinen Koffer ab und ging dann zum Hertz-Schalter, wo er einen Chevy mietete und mit seiner Visa-Karte zahlte. Pässe und Kreditkarten benutzte er aus Sicherheitsgründen nur einmal, und er zog es auch vor, außerhalb der Stoßzeiten auf amerikanischen Flughäfen einzutreffen, denn in relativ leeren Hallen konnte er leichter feststellen, ob er überwacht wurde.
Vom langen Sitzen ein wenig steif, ging er hinaus, um den Wagen abzuholen. Der warme Spätfrühlingstag erinnerte ihn an seine Heimat. Nicht daß er unter Heimweh litt, aber er war der kubanischen Regierung dankbar für seine Ausbildung, die ihm nun zugute kam. Die politische Schulung hatte lediglich den Zweck erfüllt, ihn auf die Widersprüche im real existierenden Sozialismus kubanischer Spielart hinzuweisen, und schon beim Agententraining beim Geheimdienst DGI hatte er Geschmack an Privilegien gewonnen. Er bekam beigebracht, was er wissen mußte: wie kapitalistische Gesellschaften funktionieren, wie man sie infiltriert und unterwandert, wo ihre Schwachpunkte liegen und wo ihre Stärken. Den Kontrast fand der ehemalige Oberst unterhaltsam, denn schon die relative Armut in Puerto Rico war ihm paradiesisch vorgekommen obwohl er im Verein mit Oberst Ojeda und den Macheteros bemüht gewesen war, dieses System zu stürzen und durch den Sozialismus kubanischer Machart zu ersetzen. Auf dem Weg zu seinem gemieteten Straßenkreuzer schüttelte Cortez amüsiert den Kopf.
Sechs Meter über dem Kubaner setzte Liz Murray ihren Mann hinter einem Kleinbus voller Fluggäste ab. Es blieb kaum Zeit für einen Abschiedskuß; sie hatte Besorgungen zu erledigen, und sein Flug sollte in zehn Minuten aufgerufen werden.
»Bis morgen mittag sollte ich wieder zurück sein«, meinte er beim Aussteigen.
Dan Murray betrat den Terminal durch die automatische Tür und suchte sich einen Bildschirm mit Fluginformationen. Die Akten, die von Mobile nach Washington gefaxt worden waren und im Hoover Building Gesprächsstoff abgaben, hatte er sich bereits angesehen.
Nun mußte er den Metalldetektor passieren, oder besser, ihn umgehen. »Moment, Sir«, rief der Mann, und Murray hielt seinen FBI-Dienstausweis hoch, der ihn als Daniel F. Murray, Assistant Deputy Director des FBI, identifizierte. Mit der Smith & Wesson Automatic am Gürtel hätte er niemals das Magnetometer passieren können, ohne Alarm auszulösen, und das Flughafenpersonal wurde leicht nervös, wenn er vorzeigte, was er trug. Murray nahm seine Reisetasche in die linke Hand und tastete verstohlen nach der Waffe. Ohne Waffe kam er sich nackt vor, obwohl er sie noch nie hatte benutzen müssen. Das bedeutete auch nicht, daß er besonders gut damit umzugehen verstand. Er hatte noch nicht einmal seine Qualifikation erneuert; das war für nächste Woche vorgesehen. Aber in den oberen Rängen des FBI nahm man so etwas nicht so genau das größte Risiko bei seiner Arbeit stellten inzwischen Heftklammern dar, aber Murray, obgleich sonst kein eitler Mann, hielt viel auf seine Schießkünste, und das machte ihm Kummer. Nach vier Jahren als juristischer Attache in London wußte er, daß er ernsthaft üben mußte, wenn er wieder wie ein Experte mit beiden Händen schießen wollte, besonders mit einer neuen Waffe. Sein geliebter Colt Python.357 aus Edelstahl war in den Ruhestand versetzt worden. Das FBI ging zu automatischen Pistolen über, und beim Betreten seines neuen Büros hatte er eine als Geschenk verpackte und gravierte Smith & Wesson auf dem Schreibtisch vorgefunden; ein Gruß von seinem Freund Bill Shaw, dem neuernannten Stellvertretenden Direktor (Ermittlungen). Nun, auf jeden Fall stellte die Waffe sicher, daß sein Flug nicht nach Kuba ging. Und mit direkter Verbrechensbekämpfung würde er von nun an ohnehin nichts mehr zu tun haben, da er inzwischen in der Verwaltung arbeitete. Auch ein Hinweis, daß ich zu alt bin, um noch
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