06 - Der Schattenkrieg
und hielt ihn dort. Das wäre schwieriger gewesen, wenn die Beechcraft die Geschwindigkeit erhöht und manövriert hätte, aber das Endergebnis wäre das gleiche geblieben. Bronco war einfach zu gut und in seinem Eagle praktisch unbesiegbar. Als Bronco bis auf vierhundert Yard herangekommen war, drückte er für den Bruchteil einer Sekunde auf den Knopf.
Grüne Leuchtspurgeschosse fetzten in einer geraden Linie durch die Nacht.
Die ersten Geschosse schienen die Beechcraft zu verfehlen, der Rest aber traf das Cockpit. Es gab nur einen kurzen Lichtblitz, gefolgt von phosphoreszierendem Aufschäumen des Wassers, als die Maschine aufschlug.
Winters kam kurz in den Sinn, daß er einen, vielleicht sogar zwei Menschen getötet hatte. Aber das bedrückte ihn nicht. Auf solche Leute konnte die Welt verzichten.
9
Erste Begegnung
»Also?« Escobedo bedachte Larson mit einem kalten Blick, als wäre er ein Versuchstier im Käfig. Er hatte zwar keinen Grund, Larson irgendwie zu verdächtigen, war aber wütend, und Larson war eben jemand, an dem er seine Wut auslassen konnte.
Das war Larson indes gewohnt. »Ich weiß nichts Genaues, Jefe. Ernesto und Cruz waren gute Piloten. Die Triebwerke der Maschinen waren so gut wie neu, hatten nur zweihundert Stunden drauf. Das Flugzeug war zwar sechs Jahre alt, aber sorgfältig gewartet. Das Wetter auf dem Weg nach Norden war gut, aufgelockerte Bewölkung über der Straße von Yucatän, sonst nichts.« Der Pilot zuckte die Achseln. »Flugzeuge verschwinden eben manchmal, Jefe. Der Grund läßt sich nicht immer feststellen.«
»Er war mein Vetter! Was soll ich seiner Mutter sagen?«
»Haben Sie sich mit den Flugplätzen in Mexiko in Verbindung gesetzt?«
»Ja! Und in Kuba, Honduras und Nicaragua nachgefragt!«
»Kein Notruf? Keine Meldung von Schiffen oder Flugzeugen in der Gegend?«
»Nein, nichts.« Escobedo beruhigte sich etwas, als Larson die Möglichkeiten mit der Gelassenheit des Profis durchging.
»Mag sein, daß er irgendwo gelandet ist, weil die Bordelektrik versagte. Aber ich würde mir keine großen Hoffnungen machen, Jefe. Wahrscheinlich ist er verschollen. So etwas kommt immer wieder vor.« Eine andere Möglichkeit war, daß Ernesto und Cruz beschlossen hatten, irgendwo zu landen, ihre aus vierzig Kilo Kokain bestehende Ladung auf eigene Faust zu verkaufen und zu verschwinden, doch damit rechnete niemand ernsthaft. Die Drogen an Bord waren überhaupt nicht erwähnt worden, denn Larson, ausschließlich technischer Berater, hatte mit diesem Teil des Geschäfts nichts zu tun. Escobedo verließ sich auf Larsons Ehrlichkeit und Objektivität, denn der Pilot hatte in der Vergangenheit immer seine Arbeit diskret getan und kannte auch die Konsequenzen von Lügen und Betrügereien.
Sie saßen in Escobedos Penthaus in Medellin. Das Geschoß unter ihnen belegten Escobedos Gefolgsleute. Am Aufzug standen Männer, die genau wußten, wer passieren durfte und wer nicht. Die Straße vor dem Haus wurde überwacht. Wenigstens brauche ich keine Angst zu haben, daß mir jemand die Radkappen klaut, dachte Larson und fragte sich, was Ernesto wohl zugestoßen war. Nur ein Unfall? Aber Larson war nicht auf den Kopf gefallen. Er dachte an die Besucher der letzten Zeit und an gewisse Anweisungen aus Langley; wer auf der »Farm« der CIA ausgebildet worden war, glaubte nicht an Zufälle. Es mußte eine Operation geplant sein. Konnte der Fall Ernesto der erste Schritt gewesen sein?
»War er ein guter Pilot?« fragte Escobedo. »Ich selbst habe ihm das Fliegen beigebracht, Jefe. Er hatte vierhundert Flugstunden hinter sich, war technisch geschickt und verstand sich auf die Instrumente so gut, wie ein junger Pilot es nur kann. Beunruhigend fand ich nur sein Vergnügen am Tiefflug.«
»Wieso?«
»Tiefflug überm Wasser, besonders nachts, ist gefährlich, weil man dabei leicht die Orientierung verliert. Man weiß auf einmal nicht mehr, wo der Horizont ist, und wenn man dauernd aus dem Fenster schaut anstatt auf die Instrumente… Auf diese Weise haben schon erfahrene Piloten ihre Maschinen ins Wasser gebohrt. Unglücklicherweise macht Tieffliegen Spaß, und viele junge Piloten meinen, dabei ihre Männlichkeit unter Beweis stellen zu können. Das ist dumm, wie man im Lauf der Zeit lernt.«
Darüber dachte Escobedo einige Sekunden lang nach. »Ernesto hatte viel Stolz.« Larson klang das wie ein Nachruf. »Ich werde mir das Wartungsbuch der Maschine noch einmal ansehen«, bot Larson an, »und die
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