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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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heiraten?«
    Mrs. Middleton blinzelte und schaute
über seinen Kopf hinweg auf die glänzende Wasserfläche. Alle Farben erschienen
ihr klar und unglaublich leuchtend, und von irgendwoher über den Wolken klang
ein triumphierender Fanfarenstoß herunter. »0 ja, Angus«, sagte sie.
    »Dann hat alles seine Richtigkeit«,
meinte der Koch und sprang auf. »Jetzt sind wir verlobt, und Sie können mich
unterhaken.«
    Mrs. Middleton erhob sich,
schüttelte ihre Röcke aus und erlaubte Angus, ihren Arm zu nehmen. Sie fühlte
sich sehr jung und schwach und mädchenhaft. Sie schaute schüchtern zu dem Koch
auf, ihr Gesicht strahlte, und die ängstlichen Falten darin waren einen
Augenblick lang wie ausgelöscht.
    Angus drückte ihren Arm. »Ich sage
Ihnen«, verkündete er, »wir werden das beste Gasthaus mit dem besten Essen in
ganz England haben.«
    »Ja, nicht wahr?« stimmte ihm Mrs.
Middleton atemlos vor Glück zu.
    Lizzie hatte ihre Gebete gesagt. Sie hatte
versucht, sich darauf zu konzentrieren und ihre Gedanken über weltliche Dinge
zu erheben. Aber sie fühlte sich immer noch unglücklich. Warum sie erwartet
hatte, Paul Gendreau genau an dem Tag wiederzubegegnen, an dem sie sich
zufällig entschlossen hatte, dieselbe Kirche wie damals aufzusuchen, wußte sie
nicht. Aber die Tatsache, dass der französische Kammerdiener nicht da war,
machte sie ganz krank vor Enttäuschung.
    Sie wollte schon gehen, als ihr klar
wurde, dass Gott, wenn er alles sah, bestimmt auch die Gedanken im Kopf eines
kleinen Küchenmädchens kannte. Es konnte nicht schaden, ihn zu bitten. So
kniete sich Lizzie wieder hin und bat Gott voller Vertrauen, sie Paul Gendreau
wiedersehen zu lassen, wenn es Sein Wille sein sollte.
    Ein bisschen getröstet trat sie aus
der Kirche. Sie trug ein hübsches blattgrünes Musselinkleid, das ihr eine
frühere Mieterin gekauft hatte. Ihr braunes Haar war frisch gewaschen und
gebürstet und mit einem kirschroten Seidenband nach hinten gebunden, dem
ersten Geschenk, das sie je bekommen hatte. Nach der Dunkelheit in der Kirche
stand sie blinzelnd im Sonnenlicht und hatte keine Lust, gleich wieder in die
Clarges Street zurückzugehen. Da fiel ihr ein, dass die französischen
Emigranten, denen es gelungen war, genug Geld herauszuschmuggeln, um ihre
gesellschaftliche Stellung aufrechtzuerhalten, eine Art Faubourg Saint-Honore
am und um den Manchester Square herum etabliert hatten. Das Wetter lockte zu
einem Spaziergang. Und es würde nicht schaden, einmal einen Blick auf die
Gegend zu werfen
    Bald bog sie von der Oxford Street
in die Duke Street ein, die zum Manchester Square führte. Um sie herum wurde
zunehmend mehr Französisch gesprochen. Jetzt, wo sie sich so weit vorgewagt
hatte, fühlte sie sich recht mutig und hielt zuerst einen und dann noch einen
anderen Passanten an, um nach dem Haus des Comte St. Bertin zu fragen, als sie
am Manchester Square angekommen war. Aber die Diener, die sie fragte, sprachen
kein Englisch; es waren französische Diener, die wie ihre Herrschaften ihr
Gastland oft verachteten und sich weigerten, Englisch zu sprechen, wenn sie es
überhaupt durch irgendeinen Zufall konnten. Schließlich traf sie auf einen
englischen Kutscher, der gerade von seinem Kutschbock herabkletterte.
    »Der Comte hat da drüben gewohnt,
Miss«, sagte der Kutscher. »Aber wenn Sie ihn besuchen wollten, dann sind Sie
zu spät dran.«
    Er zeigte mit seiner Peitsche auf
ein hohes Haus, über dessen Tür ein Totenschild befestigt war und auf dessen
Stufen ein Mann Totenwache hielt.
    Lizzie schaute auf die mit Läden
verschlossenen Fenster, und ihr Herz krampfte sich zusammen.
    Gegen ihren Willen ging sie langsam
um den Platz herum, bis sie vor dem Haus stand. Vielleicht würde sie Mr.
Gendreau gar nicht mehr erkennen, selbst wenn sie ihn wiedersah, dachte sie. Der
Abend, an dem sie ihm begegnet war, war dunkel und regnerisch gewesen, und sie
hatte in dem schwachen Licht der Straßenlampen in der Clarges Street sein
Gesicht nur undeutlich gesehen.
    »Entschuldigen Sie, Miss«, sagte
eine Stimme an ihrem Ohr. »Aber ich habe das seltsame Gefühl, dass wir uns
schon einmal begegnet sind.«
    Lizzie fuhr zusammen und drehte sich
um. Sie erkannte Paul Gendreau sofort, obwohl er vornehmer gekleidet war, als
sie ihn in Erinnerung hatte, und seine Augen schärfer und kühner waren. »Sie
haben mich eines Abends von der Kirche nach Hause begleitet«, sagte Lizzie
schüchtern.
    »Ach ja, Clarges Street. Das

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