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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Gegenstand ihres Neides, Miss Jenny
Sutherland, saß an diesem Abend mit fest geschlossenen Augen vor dem Spiegel,
während ihr Cooper das Haar frisierte.
    Wäre es nicht wundervoll, dachte
Jenny, in Palmers Kontor einzubrechen und diese Wirtschaftsbücher zu finden?
Das würde ihr selbst und allen anderen beweisen, dass sie nicht selbstsüchtig
war. Sie musste herausfinden, wo Palmers Büro war.
    »Warum in aller Welt haben Sie denn
die Augen zu?« fragte Cooper und zwirbelte Jennys Locken mit der Brennschere
auf.
    »Weil die Dinge so besser aussehen«,
antwortete Miss Jenny Sutherland.

Fünftes Kapitel

    »Alles in Ordnung unten?« fragte der
Herzog von Pelham am Abend.
    »Ja, Euer Gnaden«, sagte Fergus.
»Haben die Diener Euer Gnaden verärgert?«
    »Nein, sie verhalten sich so
einwandfrei wie immer. Aber der Geist dieses Hauses hat sich verändert. Es ist
sehr schwer zu erklären. Es hat etwas Rastloses, Unglückliches an sich.«
    Fergus schaute sich besorgt um.
»Vielleicht ist es der Geist des verstorbenen Herzogs.«
    »Ich habe eher das Gefühl, es ist
der Geist eines gegenwärtigen und lebendigen Unglücks. Rainbird, der sonst so
selbstsicher auftretende Butler, macht einen unsicheren, ruhelosen und geistesabwesenden
Eindruck; die blonde Schönheit — wie hieß sie gleich wieder...?«
    »Alice.«
    »Ja, Alice. Sie sieht traurig aus.
Das kleine Stubenmädchen hat ganz rote Augen vom Weinen und erfüllt seine
Pflichten mit unterdrückter Wut. Der empfindsame Joseph ist übermäßig korrekt
und erledigt seine Aufgaben mit wichtigtuerischer Miene, aber gelegentlich
wirft er seinem Butler von der Seite hasserfüllte Blicke zu — einem Butler, der
noch gestern, das hätte ich schwören können, diesem Haushalt wie ein Vater
vorstand.«
    »Sie waren gestern abend alle lange
auf«, sagte Fergus. »Wahrscheinlich sind sie müde. Und dann sind sie alle den
ganzen Tag unterwegs gewesen.«
    »Vielleicht war es falsch von mir,
ihnen den Tag freizugeben. Meine Freunde, die Chesters in Primrose Hill, waren
ganz schockiert, als ich es nebenbei erwähnte. Diener, so haben sie mir gesagt,
haben zwei Tage im Jahr frei. Alle anderen Abmachungen führen zu Faulheit und
Betrügereien. Aber ich sehe nicht ein, was es für einen Sinn haben soll, die
Diener bei diesem schönen Wetter in den dunklen Wirtschaftsräumen festzuhalten,
wenn ich sie nicht brauche. Ungesunde Diener nützen mir genauso wenig etwas
wie ungesunde Truppen. War ich zu nachgiebig? Sind sie unzufrieden?«
    »Ich habe nichts dergleichen
bemerkt«, sagte Fergus. Alice hatte ihn herzlich angelächelt, und daher war ihm
nichts anderes aufgefallen. Wenn Alice ihn anlächelte, war Fergus der Meinung, dass
alles in der ganzen weiten Welt in Ordnung sein müsse. Und in der harten Seele
seines hochmütigen Herrn musste doch sicherlich eine Wandlung vor sich
gegangen sein, wenn er sich solche Gedanken um seine Diener machte. Aber der
Herzog betrachtete die Diener jetzt genauso, wie er seine Soldaten betrachtet
hatte. Die Männer, die unter ihm auf der Pyrenäenhalbinsel gekämpft hatten,
hatten ihn als guten Anführer empfunden, denn er wachte eifrig über ihr
Wohlbefinden. Jetzt, wo er wieder im Zivilleben stand, hatte er sich die
Fähigkeit bewahrt, die Stimmung derer, die unter ihm dienten, aufmerksam zu
beobachten. Und irgend etwas war nicht in Ordnung.
    Die friedliche, ruhige Atmosphäre
des Hauses war zerstört. Die Rastlosigkeit war mit Händen zu greifen. Der
Herzog hatte sich auf der Heimfahrt von Primrose Hill eigentlich entschlossen,
nicht zu der musikalischen Soiree der Denbys zu gehen, sondern gemütlich zu
Hause zu bleiben und sich auszuruhen. Aber die angespannte Atmosphäre, die in
dem hohen Gebäude herrschte, hatte sich ihm mitgeteilt, und plötzlich befahl er
Fergus, ihm seine Gesellschaftskleidung bereitzulegen. Er fragte sich, ob die
kleine Miss Sutherland wohl auch auf der Soiree sein würde, und verbannte sie
dann aus seinen Gedanken. Sie war zu jung und zu unberechenbar. Gestern abend
war sie reizend gewesen, aber sie würde sich ohne Zweifel als genauso eitel
und verwöhnt wie immer erweisen, wenn er sie wiedersehen sollte.
    Mrs. Freemantle war spät mit ihrer
Toilette fertig, und deshalb saßen die meisten Gäste bereits auf ihren Plätzen,
als Jenny mit ihren beiden Anstandsdamen eintraf. Sie mussten ganz hinten sitzen.
    Sie nahm kaum etwas von der Musik
wahr, so beschäftigt war sie mit ihren Plänen, den Dienern von Nummer 67 zu
helfen. Erst

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