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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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frisieren. Rainbirds Stimme, die ihr geraten hatte, einen Monat lang
nicht in den Spiegel zu schauen, klang ihr im Ohr, aber sie redete sich ein, sie
sei nicht mehr eitel, sondern nur um Tante Letitias willen froh darüber, dass
sie sich einen passenden Ehemann gesichert hatte.
    Ihr Spiegel sagte ihr, dass sie noch
nie so hübsch ausgesehen hatte. Ein paar kleine widerspenstige Locken ließen
sich nicht bändigen und umrahmten ihr hübsches Gesicht, über einem Unterkleid
aus weißem Satin trug sie ein zartrosa, mit dunkelrosa Blumen besticktes
Musselinkleid, das ihre Schönheit unterstrich.
    Lady Letitia kam erst kurz vor zwölf
Uhr herein und sah müde und abgespannt aus. »Du wartest am besten hier, Jenny«,
sagte sie, »bis ich Lord Paul die Erlaubnis gegeben habe, dir den Hof zu
machen. Ich lasse dich dann holen.«
    »Sie sieht so traurig aus«, sagte
Jenny zu Cooper, als ihre Tante wieder gegangen war.
    »Mylady mag Sie wahnsinnig gern«,
sagte Cooper. »Sie wird bei dem Gedanken, Sie zu verlieren, traurig sein.«
    »Sag mir eins, Cooper«, wollte Jenny
wissen, »gibt es in diesem Haus außer dir und Giles noch andere Diener?«
    »Ja natürlich, Miss. Zwei Zofen und
ein Hausmädchen, ein Stubenmädchen und einen Lakaien, abgesehen von dem Koch
und dem Küchenmädchen.«
    »Ich habe sie noch nie gesehen.«
    »Mrs. Freemantle hält es für falsch,
Diener zu haben. Sie meint, man sollte in der Lage sein, alleine auszukommen.
Deshalb hat sie ihnen befohlen, sich nie sehen zu lassen — außer Giles. Auf
die Weise kann sie sich einreden, dass sie keine Diener hat.«
    Die Kirchenglocken schlugen zwölf, als
Lord Paul zu Fuß ankam. Lady Letitia stand im vorderen Salon, hielt eine
Stuhllehne umklammert und starrte auf die Tür, während sie darauf wartete, dass
er angekündigt wurde.
    Er sah gut aus und so glücklich, dass
es ihr vor Eifersucht einen Stich ins Herz gab.
    Sie kämpfte dieses hässliche Gefühl
nieder und bat ihn entgegenkommend, Platz zu nehmen.
    Er schaute in ihr trauriges,
angespanntes Gesicht und sah nicht mehr ganz so glücklich aus.
    »Vielleicht kommt das, was ich Ihnen
zu sagen habe, überraschend für Sie«, begann er. »Ich hätte schon gestern
abend mit Ihnen reden sollen, aber nachdem ich Miss Sutherlands Zustimmung
hatte, verließ mich der Mut, und ich beschloss, die Sache bis heute
aufzuschieben.«
    »Es kommt keineswegs überraschend«,
antwortete Lady Letitia höflich. »Jenny hat mir erzählt, dass Sie mir einen
Besuch abstatten wollen. Sie haben meine Erlaubnis, Mylord.«
    Sein Gesicht leuchtete vor Glück.
»Sie sind einverstanden? Ich darf Sie um Ihre Hand bitten?«
    »Ja, Mylord.«
    »Oh, Sie machen mich zum
glücklichsten aller Männer.«
    Er ging zu ihr hin und löste ihre
verkrampften Hände sanft von der Stuhllehne. Er schlang die Arme um ihre Taille
und lächelte in ihre verwirrten Augen hinab.
    »0 Letitia«, sagte er heiser. Seine
Lippen senkten sich auf ihren Mund, und Lady Letitia musste feststellen, dass
sie leidenschaftlich geküsst wurde.
    Ihr Pflichtgefühl kämpfte einen
erbitterten Kampf mit ihrem Verlangen, und das Pflichtgefühl trug den Sieg
davon. Sie machte sich frei und trat einen Schritt zurück.
    »Darf ich vorschlagen, Mylord«,
sagte sie mit blitzenden Augen, »dass Sie Ihre Küsse für meine Nichte
aufbewahren?«
    Er stand wie vom Donner gerührt da.
»Aber das wäre höchst unpassend, meine Liebe.«
    Lady Letitia musste sich setzen.
»Sind Sie heute etwa nicht hierhergekommen, um Jenny einen Heiratsantrag zu
machen?« fragte sie.
    »Natürlich nicht!« Lord Paul sah
schwer gekränkt aus. »Sie sind diejenige, die ich liebe. Wie können Sie
glauben, dass ein Mann in meinem Alter den Wunsch hat, sich mit einem kleinen
Mädchen zu verbinden? Ich habe mich in dem Augenblick, in dem ich Sie das erste
Mal sah, in Sie verliebt.«
    »Paul!« Lady Letitia warf sich an
seine Brust und brach in Tränen aus.
    Oben begann
Jenny auf und ab zu gehen. Was hielt Tante Letitia bloß so lange auf? Jenny
hatte aus dem Fenster geschaut und Lord Paul ankommen sehen. Nach weiteren zehn
Minuten beschloss sie, nach unten zu gehen und an der Salontür zu lauschen.
    Sie drückte ihr Ohr gegen die
Türverkleidung, konnte aber nichts hören. Angst packte sie. Konnte es sein, dass
Lady Letitia Lord Paul aus irgendeinem Grund weggeschickt hatte?
    Jenny öffnete
vorsichtig die Tür.
    Lord Paul und
Lady Letitia standen in leidenschaftlich enger Umarmung da. Die Welt um sie
herum

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