Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
Vom Netzwerk:
ihn?«
    »Das kommt später«, sagte Jenny. »Er
ist in jeder Hinsicht geeignet. Komm, Tante. Ich habe gedacht, du bist stolz
auf mich.«
    Lady Letitia wandte sich ab. »Ja,
ja«, sagte sie unwirsch. »Wir wollen gehen. Ich habe Kopfschmerzen. Mrs.
Freemantle ist wie üblich entschlossen, bis zum bitteren Ende zu bleiben. Wir
müssen ihr die Kutsche zurückschicken.«
    Jenny versuchte auf der
Nachhausefahrt mit ihrer Tante zu reden, aber Lady Letitia fuhr sie an, sie
solle schweigen.
    Lady Letitia schlief schlecht. In
der Morgendämmerung wurde sie von Mrs. Freemantles lauter Stimme geweckt, die
unten auf der Straße schrie: »Gute Nacht, meine lieben Schätzchen«, worauf ein
heiserer Chor von männlichen Stimmen ein Lied anstimmte.
    »Sie wird wieder einen Schwips
haben«, murmelte Lady Letitia, »aber ich muss einfach mit jemandem reden.«
    Dieses Mal ging sie direkt in die
Küche hinunter und kochte zuerst Kaffee. Aber als sie die Tür zum vorderen
Salon aufstieß, war er leer. Sie stand unentschlossen da und ging dann die
Treppe hinauf und öffnete die Tür zu Mrs. Freemantles Schlafzimmer. Die Dame
lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett, in vollem Ausgehstaat, und
schnarchte grauenhaft.
    Traurig wandte sich Lady Letitia ab
und wollte wieder gehen, aber Mrs. Freemantle gab einen letzten, gewaltig grunzenden
Schnarcher von sich und wachte auf. »Was ist los?« rief sie.
    »Ich bin es, Letitia. Es tut mir leid,
dass ich dich ge-gestört habe.« Lady Letitia stellte die Kaffekanne auf den
Tisch und brach in Tränen aus.
    »Na, hör mal! Was, zum Teufel, ist
passiert?« rief Mrs. Freemantle, die vor Schreck mit einem Schlag nüchtern
wurde. »Laß mich was von dem scheußlichen Zeug trinken.« Sie torkelte zur
Kaffeekanne, goss sich eine Tasse ein und schüttete das heiße Getränk in einem
Zug hinunter. »Nun«, sagte sie und legte ihren Arm um Lady Letitias zuckende
Schultern, »erzählst du Agnes alles, hmm!«
    »Es geht um Jenny. Sie sagt, sie
wird heiraten.«
    »Irgend so einen Abenteurer, das
kann ich mir denken. Aber mach dir keine Sorgen. Wir schicken die Miss aufs
Land zurück, da kann ihr nichts passieren.«
    »Das ist es nicht. Sie wird Lord
Paul Mannering heiraten.«
    »Oh.« Mrs. Freemantle setzte sich
auf ihr Bett und machte mit der Hand eine Bewegung, die Lady Letitia
aufforderte, sich neben sie zu setzen. Dann sagte Mrs. Freemantle vorsichtig:
»Tja, er ist eine sehr gute Partie. Ein Gentleman, ein Lord — und jede Menge
Geld.«
    »Ich bin genauso eitel wie Jenny«,
sagte Lady Letitia und trocknete ihre Tränen. »Du musst wissen, dass ich mir
eingebildet habe, er sei an mir interessiert.«
    »Nun, du bist eine gutaussehende
Frau. Es gibt doch genug Männer.«
    »Aber er ist der einzige Mann, in
den ich mich je verliebt habe.« »Ach herrje! Das kann ich gar nicht glauben. Du
musst doch schon einmal einem anderen begegnet sein.«
    »Ich glaubte einmal, verliebt zu
sein, aber meine Eltern verboten mir, ihn zu heiraten, und mir brach das Herz.
Sie haben behauptet, er sei ein Taugenichts. Damals habe ich geschworen,
niemals zu heiraten.«
    »Und war er ein Taugenichts?«
    »Ja, es stellte sich heraus, dass
sie recht hatten. Aber zu dieser Zeit hatte ich mich schon daran gewöhnt, nicht
mehr ans Heiraten zu denken, und dann hatte ich ja auch Jenny in meiner Obhut.«
    »Du bist ihre Tante. Sag ihr, sie
kann ihn nicht haben.«
    »Das brächte ich nicht übers Herz.
Wenn er sie will, muss ich tapfer sein. Er hat mich so angeschaut, weißt du,
und die ganze Zeit hat er nur an Jenny gedacht.«
    »Sie ist aber auch bildschön, zum
Teufel, mit ihren Augen«, sagte Mrs. Freemantle. »Weißt du was, sie wird
bestimmt verschlafen, wenn wir sie nicht wecken. Ich werde mir Mannering
vorknöpfen und mich davon überzeugen, ob er es wirklich ernst meint.«
    »Nein, ich kann mich nicht vor der
Verantwortung drücken«, sagte Lady Letitia. »Ich werde ihn selbst empfangen
und, ja, ich werde ihm meine Erlaubnis geben.«
    Jenny verschlief nicht. Vor Aufregung und
Vorfreude erwachte sie schon früh am Morgen. Statt sich auf Lord Pauls
Heiratsantrag zu freuen, freute sie sich darauf, Mary Maddox alles darüber
berichten zu können. So beliebt Mary sein mochte, um ihre Hand hatte bestimmt
noch keiner angehalten.
    Sie frühstückte in ihrem Zimmer und
verbrachte den Vormittag auf angenehme Weise. Sie zog sich so schön an, wie
sie nur konnte, und Cooper musste ihr Haar nach der neuesten Mode, im griechischen
Stil,

Weitere Kostenlose Bücher