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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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im
klaren, Madam, dass ich versuche, Ihnen einen Heiratsantrag zu machen.«
    Lady Bellisle senkte schnell den
Blick.
    Es entstand eine lange Stille. Eine
leichte Brise bewegte die sonnenbeschienenen Blätter, die unruhigen Schatten
ließen ihre Gesichter wie gesprenkelt erscheinen. Vom Park drang die schneidige
Melodie eines Militärmarsches, den die Grenadiere des Garderegiments spielten,
gedämpft zu ihnen herüber. Die Pferde beugten sich hinunter und fraßen Gras.
    »Sie geben mir keine Antwort«, sagte
der Herzog schließlich.
    »Ich habe auf etwas gewartet«, sagte
Lady Bellisle. »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Wissen Sie, eigentlich ist es
üblich«, sagte Lady Bellisle sanft, »eine Liebeserklärung zu machen oder
wenigstens seiner Zuneigung Ausdruck zu geben. So macht man das normalerweise.
Ich bin es nämlich gewohnt, Heiratsanträge zu bekommen.«
    »Mylady!«
    »0 ja. Ich bin sehr reich und von
guter Familie und habe keine Kinder. Warum wollen Sie mich heiraten?«
    »Aus den Gründen, die Sie gerade
genannt haben.«
    »Nun, deshalb bin ich immer noch
unverheiratet. Ich kann mir den Luxus leisten, auf einen Mann zu warten, der
mich liebt.«
    »Mylady, wann hat je einer von uns
Liebe mit Heirat in Verbindung gebracht?«
    »Ich weiß, dass Ehen gewöhnlich eher
wie geschäftliche Abmachungen geschlossen werden. Meine erste Ehe war so. Ich
war ziemlich unglücklich, müssen Sie wissen, und jetzt genieße ich meine
Freiheit.«
    »Heißt das, dass Sie meinen Antrag
tatsächlich ablehnen?« fragte der Herzog, der es nicht fassen konnte.
    »Ja, Pelham«, sagte sie leise. »Das
ist genau das, was ich tue. Wir würden nicht zusammenpassen.«
    »Dann vertraue ich darauf, dass ich
Sie nicht in Verlegenheit gebracht habe.«
    »Nicht im geringsten«, sagte sie
ruhig.
    Er blickte sie ärgerlich an. Das
mindeste, was sie hätte tun können, dachte er, wäre gewesen, ein gewisses
Bedauern zu zeigen, eine mädchenhafte Erregung.
    Er nahm die Zügel wieder auf. »Ich
bringe Sie nach Hause«, sagte er. »Es wird langsam kühl.«
    Er lenkte seine Kutsche in die volle
Sonnenglut hinaus. Lady Bellisle entfaltete ihren rüschenbesetzten
Sonnenschirm.
    »Ich werde Sie morgen abholen«,
sagte er steif. »Wann beginnt die Vorstellung?«
    »Um sieben, Mylord. Aber wenn Sie
unter diesen Umständen lieber nicht...«
    Der Herzog wollte ganz entschieden
lieber nicht, aber er hatte das Gefühl, es wäre äußerst ungezogen, das
zuzugeben. »Ich werde um sechs Uhr dreißig bei Ihnen sein«, sagte er. »Wie
heißt das Stück?«
    »Es heißt >Die Rache< oder
>Die traurige Geschichte von der Tochter des Geizhalses<. Danach kommt
die Harlekinade.«
    Er überlegte missmutig, dass das
Stück wahrscheinlich wie üblich etwa fünf Stunden dauern würde, und dann noch
die Harlekinade. Insgesamt wohl sechs Stunden in einem unbekannten Theater in
Islington in der Begleitung einer Dame, die ihn nicht heiraten wollte!
    Nachdem er sie nach Hause gebracht
hatte, ging er in seinen Club und traf dort Lord Paul Mannering, der ihm von
seiner Verlobung erzählte.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte der
Herzog erfreut und stellte fest, wie glücklich sein Freund aussah. »Ich
fürchte, du musst mir beibringen, wie man um die Hand einer Dame anhält.«
    »Hast du das nötig?«
    »Ja, leider«, sagte der Herzog
bekümmert. »Ich habe heute nachmittag Lady Bellisle einen Heiratsantrag
gemacht. Sie erschien mir sehr passend. Ich habe mich bei meinen Anwälten nach
ihr erkundigt. Sie hat mich abgelehnt!«
    Lord Paul musterte seinen Freund
höchst belustigt. »Ich habe den Eindruck, dein Herz ist noch heil, aber dein
Stolz hat eine Beule abgekriegt. Es muss sehr peinlich sein, zurückgewiesen zu
werden, nachdem man seine Liebeserklärung gemacht hat.«
    »Ich habe ihr keine gemacht«, sagte
der Herzog. »Ich habe es nicht für nötig gehalten, musst du wissen. Es wäre
auch unehrlich gewesen.«
    »Ich fürchte, dass nur junge Damen,
die heiraten müssen, sich mit einem unverblümten Heiratsantrag abfinden. Reiche
Witwen, die ihre Unabhängigkeit genießen, sind ein anderes Kapitel.«
    »Aber Lady Letitia ist eine reiche
unverheiratete Frau!«
    »Ja, aber ich liebe sie bis zum
Wahnsinn. Ich hätte mich nicht damit abgefunden, wenn sie nein gesagt hätte.
Ich hätte sie so lange verfolgt, bis sie ja gesagt hätte.«
    »Hältst du mich für eitel und
arrogant?« fragte der Herzog unvermittelt.
    »Warum?«
    »Weil ich mich eitel und arrogant
fühle.«
    »Laß gut sein!

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