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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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adoptieren?«
    »Das ist wahrscheinlich eine sehr
gute Idee, Mrs. Middleton«, sagte der Koch, der sich allmählich von seiner
anfänglichen Überraschung erholte. »Ja, ich sehe mich schon in der Rolle des
gestrengen Vaters.« Er setzte sich aufrecht hin und schaute mit
furchterregenden Blicken um sich. »So, Sie wollen mit meiner Tochter einen
Spaziergang machen, Mr. Blank? Was für Aussichten haben Sie denn?«
    »Aber was soll aus Alice und Lizzie
werden?« fragte Jenny.
    »Nun, Lizzie hat Joseph, und im
Moment sieht es so aus, als hätte Alice Fergus. Und du hast uns«, sagte Mrs.
Middleton. »Überleg nur einmal, Jenny, es könnte doch Spaß machen. Mr. Rainbird
sagt, es gehört nicht viel dazu, das Gasthaus in Ordnung zu bringen. Angus ist
ein so ausgezeichneter Koch, dass wir bald Zulauf haben werden. Als unsere
Tochter — eine Tochter, die aus einem gutgehenden Unternehmen stammt—wirst du
sehr begehrt sein.«
    Jenny schaute die Haushälterin wie
betäubt an. »Und hübsche Kleider tragen?«
    »Die hübschesten, die wir uns
leisten können. Keine Arbeitskleidung mehr! Als Tochter des Hauses brauchst du
nicht einmal eine Schürze anzuziehen.«
    »Meinen Sie das wirklich ernst?«
fragte Jenny und verkrampfte die verarbeiteten Hände.
    »Ja«, sagte Mrs. Middleton. »Hör
also auf, Miss Jenny Sutherland zu beneiden. Sie wird enden wie die meisten
Debütantinnen der Saison — sie wird einen Mann nehmen müssen, den ihre Tante
für sie ausgesucht hat, während du die Möglichkeit haben wirst, den Mann deiner
Wahl zu heiraten.«
    »Ich habe nie eine Mutter und einen
Vater gehabt«, sagte Jenny. »Das heißt, ich habe sie nie gekannt.«
    »Nun, jetzt hast du Mutter und
Vater«, sagte der Koch mit einem Grinsen. »Sie sind ja mit allen Wassern
gewaschen, Mrs. Middleton. Sie haben mich zum Vater gemacht, noch bevor ich
mit Ihnen vor den Altar trete. Kommt! Das müssen wir feiern.«
    Die ursprüngliche Freude des Herzogs
von Pelham darüber, dass er sich in der Gesellschaft von Lady Bellisle recht
wohl fühlte, wurde zusehends geringer, als sich das Theaterstück mehr und mehr
in die Länge zog. Zuerst war er erleichtert gewesen, dass sie seinen
Heiratsantrag vollkommen vergessen zu haben schien, jetzt langweilte er sich
schrecklich. Aber seine Begleiterin schien nicht im geringsten unter dem langen
und langweiligen Stück oder unter der Hitze im Theater zu leiden, die durch
Hunderte von Kerzen, die in dem großen Kandelaber über ihren Köpfen brannten,
noch unerträglicher wurde.
    Das Stück, das für seine Begriffe
reichlich abgedroschen war, schien ihr zu gefallen. Er begann sich allmählich
zu fragen, ob der Abend je zu Ende gehen werde. Aber schließlich verbeugten
sich die Schauspieler doch. Er klatschte pflichtbewusst und erhob sich dann
halb von seinem Sitz.
    »Euer Gnaden!« sagte Lady Bellisle.
»Sie haben es wohl vergessen, jetzt kommt die Harlekinade mit dem neuen
Harlekin, Rainbird.«
    Er sank mit einem Seufzer auf seinen
Stuhl zurück. »Ich habe einen Butler dieses Namens«, sagte er. Er schaute auf
die Uhr. Eine Harlekinade dauerte gewöhnlich eine Stunde. Sein Bad hatte schon
vor langer Zeit seine Wirkung verloren, und er hatte das Gefühl, dass alles an
ihm klebte. Es war so heiß, und er fühlte sich gar nicht wohl. Für die Damen in
ihren nahezu durchsichtigen Kleidern mochte ja alles noch angehen, aber für
einen Mann mit gestärkter Halsbinde, Weste, in eng geschneidertem Überrock und
Kniehosen war es die Hölle.
    Das Theater war nur dreiviertel voll
gewesen, aber jetzt füllte es sich. Jedermann wollte den neuen Harlekin sehen.
    Der Vorhang hob sich, und das
Publikum schwieg irritiert. Die Harlekinade begann ganz anders als sonst. In
einem Salon saß vor dem Kamin eine Gruppe von Schauspielern als Aristokraten
verkleidet im Halbkreis.
    Die Tür zum »Salon« öffnete sich,
und Rainbird betrat die Bühne. Er trug ein Husarenkostüm, an dem alles stimmte
— das gepuderte Haar, die scharlachrote Uniform und der Degen, der ihm bis zu
den Absätzen reichte. Seine Hände steckten in einem großen Muff. Er machte sich
daran, das gesellschaftliche Kunststück, das als »Sprengen des Kreises«
bekannt war, zu versuchen. In einer Epoche, in der die Etikette ungeheuer
streng gehandhabt wurde und Gentlemen einen Lehrer dafür bezahlten, dass er ihnen
eine Stunde lang beibrachte, »Wie man den Hut abnimmt und wieder aufsetzt«,
wurde das Sprengen des Kreises als schwierigste aller

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