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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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zwei
starke Männer engagiert, die die Tür zur Bühne bewachten, falls der
zornentbrannte Herzog von Pelham versuchen sollte, seinen Diener von der Bühne
zu holen.
    Als der Herzog in seine Kutsche
stieg, sah er seinen Freund Lord Paul mit Lady Letitia und Jenny Sutherland aus
Nummer 71 kommen. Miss Sutherland blieb einen Moment auf den Eingangsstufen
stehen, und kein Windhauch bewegte die Falten ihres zarten weißen Gewandes,
das in der zum Ersticken heißen Abendluft schlaff an ihr herunterhing. Sie sah
sehr schön und sehr traurig aus. Lady Letitia und Lord Paul lächelten und
winkten. Der Herzog lächelte und winkte zurück. Miss Sutherland nickte ihm mit
einer kaum wahrnehmbaren Kopfbewegung kühl zu.
    Nun, sie hatte ohne Zweifel
erfahren, dass er kein gutes Haar an ihr gelassen hatte. Er konnte nicht
erwarten, dass sie sich anders verhielt. Aber ihr trauriges Gesicht beunruhigte
ihn. Wäre ihr Gesichtsausdruck ärgerlich oder hochmütig gewesen, hätte er sich
keinerlei Gedanken gemacht. Er fuhr los und versuchte, nicht mehr an sie zu
denken, aber er konnte nicht anders — er musste ihre augenblickliche traurige
Stimmung mit der ausgelassenen Freude des Mädchens vergleichen, das in der
Gesindestube getanzt hatte.
    Jenny sollte an diesem Abend an
einem weiteren gesellschaftlichen Ereignis der Saison teilnehmen, einem
Schildkröten-Dinner. Sie war froh, dass Mrs. Freemantle woanders Karten
spielte, denn die Missbilligung dieser selbstsicheren Dame raubte ihr allen
Mut. Mrs. Freemantle hatte ihr noch nicht verziehen, dass sie ihrer Tante so
viel unnötigen Kummer bereitet hatte.
    Als sie abfuhren, sah Jenny das
Stubenmädchen Jenny vor Nummer 67 an der Außentreppe stehen, aber als sie aus
der Kutsche schaute und schon ein Lächeln aufsetzen wollte, starrte das
Stubenmädchen sie nur wütend an, bevor es sich umwandte und wieder die Treppe
hinabging.
    Niemand mag mich, dachte Jenny
Sutherland unglücklich. Oh, ich muss unbedingt etwas für die Diener von Nummer
67 tun. Wie komme ich bloß mitten in der Nacht nach Holborn? Selbst wenn ich
mich sehr schlicht anziehe und versuche, wie eine Dienstmagd auszusehen,
schwebe ich in Gefahr, überfallen zu werden.
    Nachdem sie sich die Sache hin und
her überlegt hatte, sagte sie zu Lord Paul: »Wir haben das Glück, zu einer
Klasse zu gehören, die sich Diener leisten kann, die uns überallhin begleiten.
Wenn ein armes Mädchen mitten in der Nacht durch London gehen müßte, wäre es
doch sicher in großer Gefahr?«
    »Es kommt darauf an, in welcher
Gegend von London«, antwortete Lord Paul.
    »Zum Beispiel in Holborn.«
    »Ja, das wäre sehr gefährlich. Da
würde ich Ihrem armen Mädchen vorschlagen, seine Pennies für eine Mietkutsche
zurückzulegen.«
    Natürlich, dachte Jenny, eine
Mietkutsche ist die Lösung. Sie hatte genug Nadelgeld übrig. Sie würde den
Kutscher bitten, auf sie zu warten. Im Moment konnte sie nichts anderes tun als
hoffen, dass sich das langweilige Dinner nicht zu sehr in die Länge zog.
    In Holborn saß Jonas Palmer über seinen Büchern.
Schließlich warf er den Federkiel mit einem Seufzer hin. Es gab keine Möglichkeit,
den schlechten Zustand der Pächter-Cottages auf den Gütern des Herzogs zu entschuldigen.
Wenn er alles in Ordnung bringen wollte, würde das — selbst wenn er die Zeit
dazu hätte bedeuten, dass er es aus eigener Tasche bezahlen musste. Denn
Palmer hatte sich daran gewöhnt, das ganze Geld, das er aus den Besitzungen des
Herzogs abgezweigt hatte, als sein eigenes zu betrachten. Er ging in eine Ecke
seines Kontors, hob ein loses Fußbodenbrett hoch und nahm die Goldsäckchen, die
er dort versteckt hatte, heraus, um sie zu betrachten.
    Er konnte sich eine Überfahrt nach
Amerika kaufen und dort ein neues Leben beginnen. Seine Macht über die
Untergebenen des Herzogs hatte er mehr genossen als das Geld, das ihm seine
Stellung verschaffte, aber er wußte jetzt, dass es ungeheuer dumm von ihm wäre,
noch länger im Land zu bleiben. Es hatte ihm Spaß gemacht, die
Wirtschaftsbücher jeweils doppelt zu führen, wobei die korrekten zeigten, wie
klug er es angestellt hatte, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Jetzt
würde er sich von ihnen trennen müssen.
    Er nahm sich einen kleinen Beutel
Gold und ließ ihn in die Tasche gleiten. Er würde jetzt nach Hause gehen und
gut schlafen. Morgen wollte er dann einen Sitzplatz in der Postkutsche nach
Bristol buchen, zurückkommen, das Gold an sich nehmen und die

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