Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
und es ihm ohne weiteres zuzutrauen war, sich von dem seinen Erwartungen nicht genügenden Neffen einfach loszusagen und ihn hilflos sitzen zu lassen, kam es mir unbegreiflich vor, daß er dies nicht getan, sondern ihn bei sich behalten und sogar auf dem jetzigen Ritte mitgenommen hatte. Es mußte da irgendeine Absicht vorliegen, die ich jetzt noch nicht erraten konnte, hinter welche ich aber schon noch zu kommen hoffte.
    Am liebsten wäre ich jetzt vorgetreten, um dem lieben Onkel meine Meinung so recht aus dem Herzensgrund zu sagen; aber das durfte ich nicht; ich mußte Winnetou folgen, welcher schon bei Egglys letzten Worten sich aus dem Gebüsch zurückgeschoben hatte, um sich zu entfernen, ehe das Feuer wieder hell zu brennen begann. Ich holte ihn bald ein, und dann huschten wir so schnell wie möglich zwischen den Bäumen hin, um Corner und Sheppard zuvorzukommen und vielleicht noch einige Worte von ihnen zu erlauschen.
    Sie kehrten selbstverständlich jetzt zu ihren Pferden zurück. Wir schlichen, um schneller vorwärts zu kommen, uns möglichst bald aus dem Walde heraus, eilten am Rande desselben hin und hielten an einer vorspringenden Ecke des ihn begleitenden Gebüsches, wo sie vorüberkommen mußten, an und duckten uns da nieder. Wir waren da so weit vom Feuer entfernt, daß man von dort aus nicht gehört werden konnte, und so glaubten wir, daß sie, voraussichtlich miteinander redend, sich keine besondere Mühe geben würden, leise zu sprechen. Wie gedacht, so geschehen! Sie kamen bald, und wir hörten, daß Corner zu Sheppard sagte:
    „– – – es also nicht nötig, den Alten umzubringen. Er hat ein unerschütterliches Vertrauen zu uns und hält uns sogar für Gentlemen!“
    „Aber der Junge! Die Sporen zu verlieren! So etwas ist doch gar nicht zu denken! Was tun wir mit dem Kerl?“
    „Haben wir ihn bis hierher geschleppt und uns über ihn geärgert, ohne daß wir daran gestorben sind, so wird es wohl die wenigen Tage bis hinauf zum Finding-hole auch noch auszuhalten sein!“
    „Well! Aber dann gibt's keine Rücksicht und kein Schweigen mehr. Ich habe es satt, Zeuge von Laffereien zu sein, die in die Kinderstube aber nicht hier herauf in die Rocky-Mountains gehören! Wir reiten jetzt zu ihnen hin, erzählen, daß der Elk uns nicht – – –“
    Weiter konnten wir nichts hören, denn sie waren nun an uns vorüber. Wir warteten einige Augenblicke und gingen langsam hinterher. Nach kurzer Zeit hörten wir an dem im weichen Grase dumpf klingenden Hufschlage ihrer Pferde, daß sie ihr Versteck verlassen hatten und ein Stück hinaus in die Prärie ritten, um sich den Lachners gegenüber den Anschein zu geben, als ob sie erst jetzt am See ankämen.
    Als wir zu Rost zurückkehrten, wunderte er sich, uns so bald wiederzusehen. Er hatte infolge unserer Warnungen erwartet, uns viel später wiederzusehen, freute sich aber darüber, daß er nun nicht länger in der tiefen und für ihn unheimlichen Stille der Nacht so allein zu sein brauchte. Nachdem wir die nächstliegende Aufgabe gelöst hatten, galt es, unsere Pferde trinken zu lassen. Wir ritten also ein großes Stück längs des sich am nördlichen Seeufer hinziehenden Waldes hin und führten dann die Pferde nach dem Flusse, welcher mit dem See in Verbindung stand. Als sie sich sattgetrunken hatten, suchten wir eine zum Aufenthalte während der Nacht passende Stelle, hobbelten da die Tiere an und breiteten unsere Decken aus, um es uns auf ihnen bequem zu machen.
    Wir lagen da eine ganze Weile, ohne daß einer von uns ein Wort sagte. Das machte mir heimlich Spaß, denn es war zu denken, daß Rost vor Neugierde brannte, zu erfahren, was wir gesehen und gehört hatten. Er setzte sich bald auf, bald legte er sich wieder nieder, drehte sich bald nach rechts, bald nach links und konnte seine Unruhe je länger desto weniger verbergen. Er wollte aber auch nicht gern für zudringlich gelten. An Winnetou getraute er sich schon gar nicht; darum war ich es, an den er endlich doch das Wort richtete, als er die Ungewißheit nicht länger aushalten konnte:
    „Mr. Shatterhand, Ihr liegt so ruhig. Schlaft Ihr vielleicht schon?“
    „Nein“, antwortete ich.
    „Gott sei Dank! Ich hätte Euch sonst wahrscheinlich aufwecken müssen.“
    „Warum?“
    „Weil ich doch, sozusagen, auch ein Geschöpf mit menschlichen Gefühlen und Bedürfnissen bin.“
    „Und solche menschlichen Gefühle und Bedürfnisse habt Ihr eben jetzt, Mr. Rost? Welche denn wohl?“
    „Ach,

Weitere Kostenlose Bücher