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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sappho?“
    Armer, armer Carpio! Also so weit war es schon mit ihm gekommen! Ich mußte mir alle Mühe geben, meinen Blick nicht in sein Gesicht, sondern auf die Erde zu richten, wie einer, der seine Schuld erkennt. Dann antwortete ich:
    „Ja, leider war der Heißhunger gar so groß! Ich bin dir heut noch dankbar für deine damalige Aufopferung.“
    „Sprich nicht von Dank; ich habe es gern getan! Du hast aber damit einen höchst eklatanten Beweis, daß ich wirklich dazu prädestiniert bin, das Unheil, welches andere anrichten, auf mich zu nehmen. Ich bin das so gewohnt, daß ich es für ganz selbstverständlich halte. Was will dieser Gentleman? Er greift in meine Taschen!“
    Rost wollte nämlich den Inhalt von Carpios bisherigen Satteltaschen in die Taschen des auf dem Fuchse liegenden Sattels tun; ich sagte das Carpio.
    „Das muß ich selber machen“, meinte er. „Ich lasse nicht gern andere Leute in meine Sachen greifen; sie richten nur Unordnung und Verwirrung an!“
    Er ging zu dem Gaule, um sich selbst über die Taschen zu machen. Winnetou untersuchte die Fesseln der drei Männer, welche wieder zum Bewußtsein gekommen waren, aber es für geraten hielten, so zu tun, als ob sie noch ohnmächtig seien; ich hob die Revolver auf, um sie unter uns zu verteilen. Da hörte ich einen Ausruf Carpios. Mich zu ihm wendend, sah ich, daß er eine Tabakspfeife, welche die Form eines Kalumets hatte, kopfschüttelnd in den Händen hielt. Als er bemerkte, daß ich ihn beobachtete, kam er zu mir und sagte:
    „Da hast du gleich wieder einen solchen Beweis. Das ist nämlich die Tabakspfeife meines Onkels. Was hat die in meiner Tasche zu suchen?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Ich aber auch nicht.“
    „Gehört sie wirklich ihm?“
    „Ja.“
    „Nicht dir?“
    „Mir? Höre, lieber Freund, du mußt dein Gedächtnis besser üben! Es läßt Erinnerungen fallen, welche mir für das ganze Leben treu bleiben werden. Als du damals so stark geraucht und getrunken hattest, machte dein beklagenswerter Zustand einen so abschreckenden Eindruck auf mich, daß ich mir vornahm, nie zu rauchen und alle Spirituosen nur als Arzneien zu betrachten. Ich habe Wort gehalten; ich rauche nie. Also kann diese Pfeife nicht mir gehören, und doch stak sie in meiner Tasche.“
    „Wer hat sie hineingetan?“
    „Der Onkel natürlich! Der ist ja stets so in Gedanken, daß er alles mögliche verwechselt. Er rauchte gestern, als wir am Feuer saßen; dann gab er mir die Pfeife mit der Weisung, sie in seine Satteltasche zu stecken, was ich auch sofort getan habe.“
    „Nun steckt sie aber in der deinigen!“
    „Ganz selbstverständlich, weil der Onkel so ein Wirrkopf ist! Er hat dann seinen Sattel für den meinigen gehalten und geglaubt, daß ich im Irrtum gewesen sei; um dieses vermeintliche Versehen auszugleichen, hat er die Pfeife aus der einen Satteltasche genommen und in die andere getan; so ist sie in die meinige gekommen; auf eine andere Weise ist es gar nicht denkbar! Nun wird er sie vermissen. Soll ich ihm nachreiten, um sie ihm zu geben?“
    „Nein, nein! Erstens haben wir mit ihm zunächst nichts mehr zu tun, und zweitens würde er dich nicht zu uns zurückkehren lassen.“
    „Das ist freilich sehr wahrscheinlich. Ich werde sie also behalten müssen, bis ich ihn wiedertreffe. Wohin reiten wir?“
    „Wenn es möglich ist, werden wir wahrscheinlich die Einmündung des Medicine-Creek in den Nordplattefluß als Endpunkt des Rittes nehmen. Wir sind übrigens hier fertig und werden gleich aufbrechen. Hast du einen Wunsch?“
    „Zunächst nur den einen Wunsch, mein lieber, mein einziger Freund: Verlaß mich nicht in der schrecklichen Lage, in welcher ich mich befinde! Sei der alte, liebe, treue Kamerad wieder gegen mich, der du in der Jugend für mich gewesen bist!“
    „In dieser Beziehung brauchst du keine Sorge zu haben, Carpio; du bist bei uns gut aufgehoben. Unser jetziges Beisammensein wird sich freilich ganz anders als das frühere gestalten, aber da wir uns einmal hier im far-west getroffen haben, mußt du die Mühseligkeiten, die er bietet, auf dich nehmen. Ich bitte dich nur, dich in allen Dingen, welche sich ereignen werden, ganz genau nach Winnetou und mir zu richten!“
    „Oh, was das betrifft, so wirst du sehen, daß ich meinen Mann zu stehen weiß. Ich habe alle möglichen Indianerbücher gelesen und aus ihnen eine solche Menge von Kenntnissen geschöpft, daß ich getrost behaupten darf, es mit dem besten Westmann aufnehmen

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