06 - Weihnacht
vorzuschlagen!“
„Sekundanten gibt es nicht.“
„Das ist schade, jammerschade! Ich hätte dich so gern gegen etwaige Niederträchtigkeiten beschützt. Da ich das nicht tun kann, will ich dir wenigstens einen guten Rat erteilen.“
„Welchen?“
„Er heißt: Nimm dich zusammen! Ja, zusammennehmen sollst du dich; ich meine es gut mit dir. Du bist zuweilen so zerstreut, so gedankenlos. Erinnere dich zum Beispiel an meine Sporen, die du in deine statt in meine Tasche gesteckt hattest. So eine Konfusion kann einem beim Duell das Leben kosten! Also gib dir Mühe, und nimm dich zusammen! Wenn du das tust, habe ich keine Angst um dich, denn ich weiß, daß du, diese Schwäche abgerechnet, ein gewandter Kerl und kein Dummkopf bist. Welche Waffen wird man wohl wählen?“
„Das weiß ich noch nicht; jedenfalls solche, in denen Peteh mir überlegen zu sein glaubt. Lassen wir das für nachher. An den Kampf zu denken, ist noch Zeit, wenn er beginnt.“
„Das ist richtig; machen wir uns also jetzt noch keine Sorgen!“
Lieber, ahnungsloser Carpio! Wie ganz anders hätte er gesprochen, und was für ein ganz anderes Gesicht hätte er gemacht, wenn er gewußt hätte, was es für einen ehemaligen Gymnasiasten heißt, nur mit einem gewöhnlichen Roten und nun gar mit diesem herkulisch gebauten Häuptling der Blutindianer auf Tod und Leben loszugehen! Rost hatte natürlich mehr Verständnis dafür. Er warf mir besorgte Blicke zu; ich winkte ihm aber, still zu sein, und so schwieg er.
Es vergingen über zwei Stunden. Die Verhandlung verlief, wie ja vorauszusehen gewesen war, in sehr stürmischer Weise. Endlich kamen vier Krieger, welche mir mitteilten, daß sie mich vor die Versammlung zu bringen hätten. Der Häuptling kam dieses Mal nicht selbst, weil sich das nicht mit seiner Würde hätte vereinigen lassen. Die Füße wurden mir losgebunden, so daß ich gehen konnte, dann nahmen mich die vier in ihre Mitte.
Man hatte die Beratung hinaus vor das Lager an den Bach verlegt. Da saß Yakonpi-Topa mit den ältesten seiner Krieger, ihm gegenüber Peteh mit Innua Nehma, seinem alten Vertrauten. Um diese herum hatte sich ein Kreis sitzender Indianer gebildet, welcher von einem noch weiteren Kreise stehender Krieger eingeschlossen wurde. Ich wurde in den innern geführt und sah sofort, daß Peteh sich in großer Aufregung befand. In seinen Augen loderte förmlich ein Feuer von Haß und Wut. Der Gefangene hat natürlich aufrecht stehen zu bleiben; das fiel mir aber nicht ein. Sobald meine Begleiter von mir zurückgetreten waren, schritt ich so weit vor, daß ich die zwei Häuptlinge zu meinen beiden Seiten hatte, und setzte mich da nieder. Kaum war das geschehen, so stieß Peteh einen Schrei, nicht des Zornes, sondern des kaum zu bezähmenden Grimmes aus und brüllte:
„Auf mit diesem räudigen Hunde, auf, auf mit ihm; er hat auf seinen Pfoten stehen zu bleiben!“
Ich tat natürlich, als ob ich diese Worte gar nicht hörte. Der Häuptling der Kikatsa hatte als Vorsitzender die Pflicht, mich auf meine Kühnheit aufmerksam zu machen. Er sagte zu mir:
„Old Shatterhand darf nicht vergessen, weshalb er sich hier befindet! Er hat stehen zu bleiben!“
Ich warf einen langen, prüfenden Blick im Kreise herum und sah, daß die Upsarokas sich über mein Verhalten freuten, weil es den Blutindianer so ärgerte; darum antwortete ich ruhig:
„Wer hat jemals gewagt, mir einen solchen Befehl zu geben? Wo gibt es einen Menschen, der mir befehlen darf, stehen zu bleiben, wenn ich mich setzen will?“
„Ich befehle es, ich!“ schrie mich Peteh an.
Ich ließ ihn unbeachtet, sah den Kikatsa verwundert an und fragte ihn:
„Was ist das für eine Stimme, welche ich höre? Ich habe bisher geglaubt, daß nur ernste, bedächtige Männer beim Feuer der Beratung sitzen dürfen; hier aber klingt eine Stimme wie die eines zornigen Büffelkalbes. Duldet Yakonpi-Topa, der Häuptling der Kikatsa-Upsarokas, eine solche Sprache in der Versammlung seiner weisen und erfahrenen Männer? Ob Old Shatterhand sitzen oder ob er stehen will, das kommt doch nur auf ihn allein an. Wie kann man darüber die Ruhe verlieren, welche der größte Schmuck im Gesichte jedes Kriegers ist!“
Peteh mußte sich tief beschämt fühlen. Er zwang sich, in möglichst ruhigem, stolz klingendem Tone zu sagen:
„Uff! Mag er jetzt sitzen oder stehen! Ich sehe es nicht; ich werde ihn dafür dann mit solcher Gewalt niederschmettern, daß er für immer liegen bleibt!“
Nun
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