06 - Weihnacht
Willen geschont. Es darf keiner von seinem Platze weichen, und wenn er getroffen wird, weil er weicht, so ist das die Strafe dafür, daß er nicht nach den Gesetzen des Kampfes gehandelt hat.“
Er schritt in gerader Linie von mir fort und blieb mit dem sechzigsten Schritte kaum zwei Meter weit von dem Baume stehen, ganz so, wie ich es erwartet hatte. Peteh mußte sich dorthin stellen und hatte den Baum zu seiner rechten Hand.
Die Situation war nun folgende:
Es hatte jeder von uns zwei Tomahawks, konnte aber, wenn nicht getroffen wurde, mehr Würfe tun, da in diesem Falle die Tomahawks zurückgebracht wurden. Auch dieser Kampf konnte nur dadurch enden, daß einer von uns liegen blieb. Keiner durfte vor Austrag der Sache die Stelle verlassen, auf welcher er stand. Es war nur erlaubt, sich zu bücken oder den Körper zu biegen, um nicht getroffen zu werden. Daß mein erster Wurf Peteh, falls dieser stehen blieb, treffen werde, davon war ich überzeugt, und handelte er gegen das Verbot, indem er auswich, so konnte das nur nach seiner linken Seite hin geschehen, weil auf der rechten der Baum stand; dorthin, nach links, mußte ich also den zweiten Tomahawk dirigieren, und zwar so weit nach links, wie Peteh in der Zwischenzeit der beiden Würfe kommen konnte. Das war gar nicht leicht; aber ich hatte diese Fintenwürfe mit Winnetou so gut eingeübt, daß ich am Gelingen nicht im geringsten zweifelte.
Die Zuschauer stellten sich zu beiden Seiten der Linie auf, deren Endpunkt wir bildeten, doch hüteten sie sich, zu nahe zu kommen, da sie sonst getroffen werden konnten. Yakonpi-Topa stand als derjenige, welcher das Zeichen zu geben hatte, in der Mitte. Ich spreizte die Beine halbweit auseinander und setzte den linken Fuß etwas vor. Dadurch gewann ich nicht nur den Halt zum Wurfe, sondern auch die nötige Festigkeit, den Oberkörper rechts, links oder abwärts zu biegen, ohne meinen Standort zu verlassen.
Jetzt waren wir bereit, und der Häuptling der Kikatsa gab durch einen lauten Ruf das Signal zum Beginn des Kampfes. Peteh war als vortrefflicher Beilwerfer bekannt; ich hatte mich vorzusehen. Es stand bei mir bombenfest, daß ich mich lieber treffen lassen als nur einen Zoll breit weichen würde, mit den Füßen nämlich. Es sollte nicht gesagt werden, daß Old Shatterhand die Gesetze des Kampfes auch nur um den Betrag eines Gedankens verletze. Ob Peteh ebenso dachte, das mußte sich zeigen.
Mein Gegner hielt wieder eine Rede, die voller Beleidigungen und Drohungen für mich war. Als er damit fertig war, schien er eine ebensolche Antwort von mir zu erwarten; ich sagte aber nichts. Da verhöhnte er mich als einen Feigling, der sich vor lauter Angst nicht einmal ein Wort zu sagen getraue, und forderte mich auf, den ersten Wurf zu tun. Ich tat, als ob ich seine Worte gar nicht vernommen hätte. Er wartete noch eine Weile, wiederholte seine Spottreden, und als ich auch hierauf weder etwas sagte noch etwas tat, schwang er endlich sein erstes Beil.
Ich sah es diesem Schwingen an, daß ich in ihm einen tüchtigen Gegner vor mir hatte, und verwendete kein Auge von ihm. Da stieß er einen schrillen Schrei aus, und der Tomahawk entflog seiner Hand. Er strich wohl den dritten Teil des Weges parallel dem Boden hin, dann stieg er aufwärts, um sich am Ziele wieder niederzusenken. Ich konnte kerzengerade stehen bleiben, denn das Beil flog wohl einen Meter entfernt, aber doch genau in Kopfhöhe an mir vorüber.
Dieser Wurf war nicht übel und wurde von einigen Roten, wahrscheinlich Blutindianern, mit Beifall belohnt. Ihr Häuptling forderte mich nun wieder auf, zu werfen; ich tat es aber nicht. Hierauf erging er sich abermals in Großsprechereien und Beleidigungen, und dann schickte er sich an, das zweite Beil zu schleudern. Er wirbelte und zielte dieses Mal länger als vorher, traf aber genauso weit wie vorhin vorüber, nur auf der andern Seite.
„Uff!“ rief er aus. „Erst so nahe links und nun rechts vorbei! Beim drittenmal werde ich gewiß in die Mitte treffen. Wird der Feigling dort nun nicht bald werfen? Man bringe mir meine Tomahawks wieder her! Ich brauche sie.“
Da antwortete ich nun laut, so daß alle es hörten:
„Man lasse sie liegen; er braucht sie nicht, denn er wird nicht wieder zum Werfen kommen. Er hat mich aufgefordert, ihm zu antworten, jetzt soll er Old Shatterhands Antwort haben!“
Ich nahm zunächst nicht das Obsidian-, sondern das andere Beil; das erstere sollte den Treffer machen. Es galt, erst
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