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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Einfluß auf die unglückliche Gestaltung seiner Vergangenheit gewesen. Wer sich nicht belehren läßt und sich gegen andere Meinungen gern nachtragend zeigt, dem entgeht die Elastizität, welche zum Parieren schwerer Schicksalsstöße nötig ist. Wenn es wirklich ein so großer Herzenswunsch von ihm gewesen war, Winnetou und mich einmal zu sehen, so hätte er sich jetzt, wo er ihm in Erfüllung gegangen war, versöhnlich zeigen sollen! Vielleicht hätte ich etwas weniger schroff mit ihm sprechen sollen; ich gebe das zu; aber ich lasse mir nun einmal gegen meinen Herrgott nichts sagen und hatte ihm gleich beim ersten Versuche klarmachen wollen, daß er damit bei mir an eine vollständig falsche Adresse kam. Ich hielt und halte das noch jetzt für meine Pflicht.
    So saßen wir also ziemlich schweigsam beisammen und warteten auf die Ankunft des Apatschen. Wir hatten ein Feuer angebrannt, welches auf den Weg, den wir gekommen waren, zurückleuchtete. Das war von mir angeordnet worden, damit Winnetou nicht lange in der Finsternis nach uns zu suchen brauchte. Freilich hatte ich dabei vermieden, dieselbe Unvorsichtigkeit wie die Begleiter Lachners am Lake Jone zu begehen. Ich hatte erst die Umgebung des Platzes genau abgesucht und dann das Feuer nicht da anbrennen lassen, wo wir saßen, sondern ziemlich entfernt davon an einer Stelle, welche wir überblicken konnten. Es ging nur zuweilen einer von uns hin, um neues Holz nachzulegen. Auf diese Weise konnten wir nicht entdeckt werden, aber selbst jede Person sehen, welche sich etwa heranschleichen wollte.
    Es mochten, seit wir hier angekommen waren, vielleicht zwei Stunden vergangen sein, als ich bemerkte, daß sich in dem Gebüsch, neben welchem das Feuer brannte, einige Zweige leise bewegten. Das konnte nicht eine Folge des Windes sein, weil sich da die benachbarten, ebenso leichten Zweige mitbewegt hätten. War das Winnetou oder eine Person, welche nicht zu uns gehörte? Wenn er es war, so bedurfte es nur jenes Plätscherns, durch welches er mich abends am Lager der Upsarokas, als ich mit Yakonpi-Topa den Umgang machte, auf sich aufmerksam gemacht hatte. Ich flüsterte also meinen Gefährten zu, sich ganz ruhig zu verhalten, und kroch nach dem Wasser, welches sich nur einige Schritte hinter uns befand. Dort schöpfte ich den Hut voll, hielt ihn hoch und ließ den Inhalt laut in den still dahinfließenden Creek fallen. Es bedurfte nicht vieler Wiederholungen dieses Experimentes, denn schon beim zweiten Male erklang die Stimme des Apatschen:
    „Winnetou hört das Zeichen seines Bruders Scharlih. Wo ist Old Shatterhand?“
    „Hier. Wir kommen“, antwortete ich.
    Wir gingen nach dem Feuer, an welchem zu gleicher Zeit Winnetou erschien. Er ließ einen lauten, scharfen Pfiff hören, worauf fünf Indianer kamen, welche den Iltschi des Apatschen und auch mehrere Packpferde an den Leitzügeln führten.
    „Es ist niemand in der Nähe“, sagte er. „Wir können nun an einer bessern Stelle ein größeres Feuer machen und uns an demselben niedersetzen, um uns zu wärmen, denn es wird in dieser Nacht sehr kalt werden.“
    Die Indsmen zerstreuten sich, um Holz zu suchen; sie brachten trotz der Dunkelheit eine solche Menge zusammen, daß sie für die ganze Nacht reichte. Es wurde an einer rundum von Büschen verdeckten Stelle ein neues Feuer angebrannt, um welches wir uns lagerten, nachdem die neu angekommenen Pferde gut versorgt worden waren. Dann warf mir Winnetou einen fragenden Blick zu. Ich verstand ihn und erzählte in kurzen Worten, was geschehen war, seit ich das Unglück gehabt hatte, mit Carpio und Rost am Fleischwasser in die Hände der Blutindianer zu geraten. Sie hörten mir alle mit Spannung zu, besonders auch Hiller, welcher, als ich geendet hatte, sein bisheriges Schweigen brach und mich fragte:
    „Aber, Sir, das hat sich ja herausgestellt, daß wir ganz unschuldig an dem Tode der sechs Krähen gewesen sind?“
    „Noch nicht ganz“, antwortete ich. „Winnetou hat es entdeckt, Yakonpi-Topa aber will sich erst überzeugen; darum hat er Boten nach der betreffenden Stelle geschickt.“
    „Die werden ihm schon die Überzeugung bringen, daß die Blutindianer die Schuldigen gewesen sind. Hoffentlich ist man in St. Louis nicht so dumm, ihm die verlangten 365 Gewehre zu schicken!“
    „Welche Gewehre?“ erkundigte ich mich, indem ich mich unwissend stellte.
    „Er hat einen Brief an meine Frau geschrieben, den ich unterzeichnen mußte. Er schrieb darin, daß er mich

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