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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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selbst auch bei seinen Kriegern. Sie ziehen drüben am Marsh Creek herab. Meine Brüder mögen jetzt dieser Fährte weiterfolgen! Halten sie heut abend da an, wo der Silver Creek in den New Fork mündet, werde ich sie einholen. Mein Bruder Scharlih bekommt seine Gewehre wieder.“
    Er gab sie mir, wendete sein Pferd und jagte wieder fort.
    „Was für ein Mann!“ rief Hiller bewundernd aus.
    Da glaubt man nicht an Gott und hat doch sein herrlichstes Ebenbild vor Augen! So dachte ich, sagte aber nichts. Wir setzten unsern Ritt fort, doch blieben unsere Augen an dem Apatschen haften, bis er ganz draußen am Horizont verschwand.
    Wie oft in meinem Leben habe ich jene große Potenz bewundern müssen, welche aus uns unbekannten Gründen und Ursachen Folgen und Ereignisse zieht, die uns überraschend kommen, weil wir eben nichts von der Veranlassung dazu wußten! Diese Macht wird von dem gewöhnlich denkenden Menschen Zufall genannt. Man macht es sich da leicht; man braucht keine geistige Anstrengung dazu; man hat keine Verantwortung; man riskiert nicht, wegen des ‚Ammenmärchens‘ von Gottes Weisheit ausgelacht zu werden; man sagt eben von jeder auf unerwartete und unerklärliche Weise eingetretenen Tatsache, daß sie dem Zufalle zu verdanken sei. Ich beneide die Anhänger der Zufallslehre nicht. Sie beugen ihre Häupter vor dem bloßen, aller Intelligenz baren Ungefähr, vor einem Seelen- und willenlosen Etwas, welches ihnen keinen Halt bieten kann, sondern ihnen denselben nur zu rauben vermag. Wieviel glücklicher ist da doch derjenige, welcher glaubt, daß Gottes Auge ihn bewacht und Gottes Vaterland ihn durch das Leben leitet! Für ihn sinken die in sein Leben eingreifenden Ereignisse nicht zu unmotivierten Vorgängen herab, welche sich auch ganz anders hätten gestalten können, sondern alles, was geschieht, trägt einen zurückgreifenden Grund und eine weise, in die Zukunft blickende Absicht in sich, der man sich mit beruhigendem Vertrauen hingeben kann, obgleich man sie nicht zu begreifen vermag.
    So fiel es mir auch gar nicht ein, meine Begegnung mit Hiller und dem alten Arnos Sannel für Zufall zu halten; Gott hatte es gewollt, daß wir uns treffen sollten. Der Weg, welchen sie zurückgelegt hatten, wäre von keinem nur einigermaßen erfahrenen Westmanne eingeschlagen worden; er war so außergewöhnlich beschwerlich, daß es ein außer ihnen liegender Wille gewesen sein mußte, der sie veranlaßt hatte, vom Poison und Agir Creek so schnurgerade über das vollständig pfadlose Gebirge herüberzukommen. Die Verhältnisse lagen so, daß sie grad in diesem Augenblicke und grad auf diesem Wege hatten kommen müssen, um da zu sein, wo sie gebraucht wurden. Es war ja geradezu, als ob sie uns auf eine besondere Bestellung zugeschickt worden seien!
    Da Hiller jetzt nicht gleich alles erfahren sollte, was ich ihm eigentlich zu sagen hatte, führte ich eine Gelegenheit herbei, mit Rost unbeobachtet sprechen zu können, um ihm zu sagen, wie er sich in dieser Beziehung zu verhalten habe. Er versprach mir, das von mir gewünschte Schweigen streng zu beobachten.
    Ich hielt mich im weitern Verlaufe des Nachmittages meist zu Sannel, welcher mir erzählte, was er seit unserm letzten Beisammensein alles erlebt hatte. Darüber verging die Zeit sehr schnell, und es wollte abend werden, als wir die Höhen von Fremonts Butte rechts von uns auftauchen sahen und uns also in der Nähe unseres heutigen Zieles befanden. Wir erreichten den Zusammenfluß des Silver Creek mit dem New Fork grad beim letzten Tageslicht und hatten einen passenden Lagerplatz gefunden, als es vollständig finster geworden war.
    Nirgends unterhält es sich wohl besser, als in der Einsamkeit der Wildnis, wenn einige Männer beisammensitzen, welche etwas erlebt haben. Solche Lagerplätze sind für den Westmann das, was für bewohnte Gegenden die Zeitungen sind, und er versäumte nur höchst ungern eine solche Gelegenheit, Unbekanntes zu erfahren und sich selbst auch gehörig auszusprechen. Heut aber ging es sehr still bei uns zu. Sannel hatte mir gesagt, was er mir zu sagen hatte, und Hiller zeigte sich außerordentlich zurückhaltend; er ließ nur dann ein Wort hören, wenn dies unumgänglich nötig war. Er hatte mir die Zurechtweisung übelgenommen, mit welcher ich geglaubt hatte, nicht zurückhalten zu dürfen. Er schien ein Charakter zu sein, dem man nicht widersprechen darf, weil er nicht leicht verzeihen kann. Vielleicht war diese Eigenschaft nicht ohne

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