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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wahrscheinlich. Ich nehme an, daß sie mit ihm bei den Schlangenindianern gewesen sind?“
    „Gewiß!“
    „Wenn Ihr Mann ohne sie den Kikatsa in die Hände gefallen wäre, so hätten das seine Gefährten unbedingt erfahren und Ihnen oder auch nach St. Louis so schnell wie möglich Nachricht gegeben. Auch würden, wenn sie noch frei wären, längst Pelzsendungen angekommen sein.“
    „Das leuchtet mir am schnellsten ein, Mr. Meier!“
    „Nicht war? Und sodann: Fünf Schlangen, dabei Ihr Mann, sollen sechs Krähen ermordet haben! Mr. Hiller war ein Indianerfreund, der auch aus geschäftlichem Interesse wohl alles getan hätte, um eine solche Tat zu verhüten. Die Sache ist nicht ganz richtig; wenigstens ist sie nicht so, wie sie von Yakonpi-Topa in seinem Briefe dargestellt wird. Man muß da vorsichtig sein und nicht vorschnell handeln. Warum haben die Krähenindianer die vier Schoschonen so schnell hingerichtet, den einen Weißen aber leben lassen? Hat Yakonpi-Topa Ihren Mann mit allen sechs Begleitern gefangen und spricht in seinem Briefe nur von einem unbestimmten Weißen, so gibt er für die 365 Gewehre einen von ihnen frei und behält Ihren Mann mit den anderen fünf doch zurück, um neue und noch größere Forderungen zu stellen. Sie sehen: einen solchen Indianerbrief zu lesen, ist das wenigste; man muß ihn auch überlegen. Diese roten Herren sind pfiffig, und ich sage Ihnen, daß das Schreiben, welches hier vor uns liegt, ein kleines diplomatisches Meisterstück ist. Alle Ihre hundert und noch mehr Westmänner würden sich durch diesen Brief wahrscheinlich auf falsche Wege locken lassen.“
    „Sagen Sie, Mr. Meier, könnten Sie nicht vielleicht morgen mit mir nach St. Louis fahren?“
    „Zu den Herrschaften vom Pelze?“
    „Ja.“
    „Danke! Ich bin nicht gewohnt, solchen Leuten nachzulaufen.“
    „Oder soll ich telegraphieren, daß man mir einen Bevollmächtigten schickt, mit dem ich verhandeln kann?“
    „Das wäre schon etwas anderes!“
    „Ich möchte nämlich gern haben, daß Sie mit dabei sind!“
    „Ich? Der deutsche Schriftsteller?!“
    Sie blickte eine Weile still vor sich hin, reichte mir dann die Hand hin und sagte:
    „Verzeihen Sie! Ich weiß nicht, woran ich mit Ihnen bin und was und wie ich tun und sagen soll. Das Unglück, welches meinen Mann betroffen hat, läßt mich fast ausschließlich nur an ihn denken, und darum wirken Sie nicht so ganz und voll auf mich, wie es sonst der Fall sein würde; aber es ist mir dennoch so, als ob ich an Ihnen immer neue Entdeckungen zu machen hätte. Sie lesen einen Indianerbrief, den hundert Westmänner für ein leeres, wertloses Stück Leder hielten; Sie lesen sogar zwischen den Zeilen dieses Briefes und dringen in einer so klaren und selbstverständlichen Weise in die schwierigen Verhältnisse ein, daß ich gleich bitten möchte: Gehen Sie hin, und holen Sie meinen Mann! Ich glaube, ich würde fast ohne Besorgnis warten, bis Sie wiederkämen, denn ich habe das sichere Gefühl, daß Ihnen kein Unfall passierte, daß Sie alle Schwierigkeiten überwinden und ihn mir heimbringen würden. Wie kommt das nur? Vorhin kam mir der Gedanke an Old Shatterhand, jetzt nicht mehr.“
    „Ist auch nicht nötig, Mrs. Hiller.“
    „Ich dachte: Wenn der hier wäre und die Sache in die Hand nehmen wollte! Ja, wenn er sich nur herbeiließe, einen guten Rat zu geben!“
    „Das hat er schon getan.“
    „Getan?“ fragte sie verwundert.
    „Ja.“
    „Wann?“
    „Jetzt eben.“
    „Wo?“
    „Hier in diesem Zimmer, an diesem Tische.“
    „Ich – – – verstehe Sie nicht. Sie geben mir Rätsel zu lösen, die ich – – – ich – – – ich – – –“
    Sie vollendete den Satz nicht und sah mit ungewissen, furchtsam fragenden Augen zu mir herüber. Ich brach in ein herzliches Lachen aus und half ihr aus der Verlegenheit.
    „Ja. Sie haben mit dem Manne, dessen Namen Sie erwähnten, gesprochen. Ich habe nämlich die eigentümliche Gewohnheit, eigentlich ein deutscher Schriftsteller, nebenbei aber auch Old Shatterhand zu sein.“
    Sie brachte vor Erstaunen keinen Laut hervor. Ihr Sohn aber, der sich nur zuweilen mit einem kurzen bescheidenen Worte an unserm Gespräche beteiligt hatte, sprang so rasch auf, daß er den Stuhl hinter sich umwarf, und rief so laut, als ob er Feuer schreien wolle, zu:
    „Old Shatterhand? Sagen Sie die Wahrheit? “
    „Ja.“
    „Ich glaube es; ich glaube es! Aber bitte, beweisen Sie es dennoch – meiner armen Mutter

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