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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eigenen Verhältnisse ganz und gar vergessen zu haben und wollten immer nur von mir und meinem Winnetou wissen und hören. Ich mußte ein Gewaltwort sprechen und ihnen sagen, daß ich nicht nur heut kein weiteres Wort erzählen sondern auch sofort gehen werde, wenn sie mir keine Ruhe lassen würden.
    Ganz sonderbarerweise stand es bei beiden ganz fraglos fest, daß wir ihnen nicht bloß mit unserm Rate sondern auch durch die Tat beistehen würden. Sie sprachen von Winnetou und meinem Ritte hinauf zu den Kikatsa-Indianern wie von einer ganz und gar selbstverständlichen und fest beschlossenen Angelegenheit, über welche es gar keinen Zweifel geben könne. Das war, wie ich wohl wußte, nicht etwa rücksichtslose Anmaßung, sondern eine reine und unausbleibliche Folge des Rufes, in dem wir standen, oder vielmehr der poetischen Legenden, welche sich besonders über Winnetou gebildet hatten, den man sich nicht anders als den stets bereiten Rächer allen Unrechtes und Schützer der Bedrängten denken konnte. Nach der Beschreibung, welche von ihm und seinen hochherzigen Eigenschaften im Schwange war, durfte man allerdings zu jeder Zeit von ihm erwarten, daß er selbst die wichtigste Sache, falls sie ihn selbst betraf, augenblicklich fallen ließ, wenn es galt, sich der vielleicht gar nicht so wichtigen eines andern anzunehmen.
    Um die Wahrheit zu sagen, war ich, ohne daß ich es verriet, gar nicht abgeneigt, diesen braven Leuten beizustehen, denn erstens reizte mich das Abenteuer an sich selbst, und zweitens schien es mir eine Konsequenz der Vergangenheit zu sein, meine Teilnahme für sie aus dem Worte in die Tat zu übersetzen; aber immer und immer wieder nur für andere leben und nur für andere wagen, das wird einem doch auch einmal genug, und ich durfte auf meine Gefühle allein hin keinen Entschluß fassen, ohne vorher Winnetou zu fragen, um zu erfahren, welcher Ansicht er darüber war. Darum hielt ich es für angebracht, so zu tun, als ob wir wohl mitraten, aber keinesfalls mittun könnten.
    Das glaubten sie aber nicht; sie waren vielmehr vom Gegenteil so überzeugt, daß der Sohn die Absicht aussprach, sich uns anzuschließen, denn wenn fremde Leute ihr Leben wagten, um seinen Vater zu befreien, so könne er doch unmöglich tatenlos zu Hause sitzen bleiben. Ich hatte meine liebe Not, ihn davon zu überzeugen, daß er sich ganz und gar nicht zur Beteiligung eigne und durch seine Anwesenheit die vorauszusehenden Anstrengungen und Gefahren nur vergrößern würde.
    Als keiner meiner Einwände imstande war, die Unerschütterlichkeit, mit welcher man von unserer Hilfe überzeugt war, ins Wanken zu bringen, gab ich halb ärgerlich und halb lachend schließlich noch als letzten Grund an:
    „Aber was soll mit meinem neuen Anzuge werden, in den ich mich mit so ungeheuren Kosten gesteckt habe, um jenseits des Mississippi für einen leidlich anständigen Menschen gehalten zu werden? Nun ich ihn einmal gekauft habe, will ich ihn auch tragen, und zu einem so strapaziösen Ritte wäre es doch jammerschade um ihn?“
    „Den lassen Sie natürlich hier bei uns“, sagte Frau Hiller, „und wenn Sie zurückkehren, bekommen Sie ihn wieder. Sie können dann ganz ebenso Staat drin machen wie jetzt. Und denken Sie, was für eine Expedition das werden wird! Sobald Sie bekanntgeben, daß Sie und Winnetou dieses Unternehmen beabsichtigen, werden Ihnen soviel Begleiter zuströmen, daß Sie mit einem ganzen Heere droben bei den Kikatsa ankommen und, um des schnellsten, ungefährlichsten und mühelosesten Sieges sicher zu sein, nur über diese Kerle herzufallen brauchen!“
    „Ungefährlich und mühelos? Verzeihung, Mrs. Hiller; aber wenn Sie das glauben, befinden Sie sich in einem Irrtum, der freilich nur bei einer Dame möglich ist. Je zahlreicher die Truppe, desto unwahrscheinlicher ist der Erfolg. Von allem andern, was noch viel wichtiger ist, bildet da schon die Ernährungsfrage eine Aufgabe, deren Lösung große Schwierigkeiten bietet. Sie kennen die Gegenden nicht, welche man da zu durchreiten hat. Der Weg ist wenigstens fünfzehnhundert amerikanische Meilen weit, bedenken Sie, und bietet ganze, große Strecken, auf denen man kein einziges Pfund Fleisch schießen kann oder wo den Pferden das Wasser und das Futter mangelt. Und grad an den allerwichtigsten Umstand haben Sie gar nicht gedacht: Wir haben Herbst, und droben in den Bergen tritt der Winter früher ein als hier. Es kann da vorkommen, daß man heut den schönsten Sonnenschein

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