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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Scheibe nicht!“ schlug Watter vor.
    „Gut, gut! Also ohne allen Einsatz gegen meine zweihundert Dollars!“ stimmte der Prayer-man mit höhnischem Grinsen bei. „Ich setze sie gern, sehr gern aufs Spiel, nur um der sehr verehrten Versammlung einmal zeigen zu lassen, wie ein Papierfresser schießt!“
    „Der mir, nämlich mir, guten Rat erteilen will, aber selbst ein reiner Garnichts ist!“ bekräftigte Watter. „Holt ihn heran, heran!“
    Für jeden andern wäre die Blamage fertig gewesen; mir machte sie großen Spaß; ich steckte eine sehr verlegene Miene vor und ließ mich von den Umstehenden nach ihrem Belieben vorwärtsschieben und weiterziehen. Das Interesse an dem Preisschießen war bisher immer lebhafter geworden, hatte aber nun, wo es sich um ein solches Gaudium handelte, den höchsten Grad erreicht. Der Sieger, welcher mit fünf Schüssen eine 55 erzielt hatte, setzte zweihundert Dollars gegen nichts, nur um den Anwesenden eine lustige Unterhaltung zu verschaffen. Man rief und schrie; man lachte schon im voraus und drängte mich zu ihm hin. Als er mich bei sich sah, schlug er ein spöttisches Gelächter auf und rief:
    „Na, da sind Sie ja endlich, Sie – Sie – – – wie war doch gleich Ihr Name?“
    „Meier“, antwortete ich.
    „Ja, Meier, Meier – – – Meier! Jedoch der Meier tut nichts zur Sache, denn nur dort auf die Scheibe kommt es an. Sie werden also mit mir um die Wette schießen – – – was? – – – heh?“
    „Aber – – aber – – –“ antwortete ich bang; „ich habe – – doch keine Flinte!“
    „Flinte? Flinte! Das ist gut! Habt Ihr es gehört, Mesch'schurs? Er hat Flinte gesagt, Flinte, hahahaha! Diesem Mangel wird gleich abgeholfen sein, Mr. Meier, denn Sie dürfen mit meiner Flinte schießen, Flinte, hahaha! Also, sind Sie einverstanden?“
    „Ja – – ja, ich muß doch wohl!“
    „Ja, Sie müssen! Sie kommen nicht los davon! Also ich setze zweihundert Dollars, und wenn Sie mich überschießen, gehört das Geld Ihnen; die Lady dort wird es Ihnen geben. Haben Sie es verstanden?“
    „Yes!“
    „Wollen wir losen, wer erst drankommt?“
    „Yes!“
    „Oder soll ich gleich erst schießen?“
    „Yes!“
    Er schien es für nicht seiner würdig zu halten, wenn er nach mir schießen mußte, nachdem ich nichts getroffen hätte.
    „Gut!“ stimmte er bei. „Ich schieße also zuerst. Gebt Raum, Mesch'schurs! Der Spaß wird gleich beginnen!“
    Man stand noch immer dicht um uns gedrängt; jetzt schaffte er Platz; die Leute wichen zurück, doch immer lachend und einander Ausdrücke zurufend, welche voller Spitzen für mich waren. Die Schußlöcher der beiden Scheiben wurden überklebt; dann stellte sich mein Gegner zum ersten Schusse an. Er hatte das Gewehr schon angelegt; da setzte er es wieder ab und sagte laut, daß alle es hörten:
    „Denken Sie nicht, Myladies und Mesch'schurs, daß ich jetzt wieder eine 55 schieße! Ich würde mich ja schämen müssen, mir die Mühe gemacht zu haben, ihm eine so hohe Ziffer vorzugeben; ich schieße also so, wie es grad kommen will. Also, paßt auf!“
    Er schoß eine Neun, dann eine Acht und wieder eine Neun. Hierauf zielte er sorgfältiger und schoß eine Elf und zuletzt eine Zehn. Er hatte also 47 zusammengebracht.
    „Das ist nicht viel, für so einen Dummkopf aber mehr als genug!“ lachte er. „Hier ist das Gewehr – – die Flinte, hahaha, die Flinte, und da sind die Patronen!“
    Ich nahm den ‚Dummkopf‘ so ruhig hin, als ob ich ihn nicht gehört hätte, und ergriff das Gewehr beim Laufe, den Kolben nach oben, um es zu betrachten. Ein brausendes Gelächter war die Folge dieses vermeintlichen Ungeschickes, und Watter rief:
    „Ich setze zehn Dollar, zwanzig Dollar, daß er auf seine fünf Schüsse keine dreißig macht. Wer hält dagegen?“
    Keiner hatte den Mut dazu; aber Hiller antwortete:
    „Ich setze zwanzig dagegen. Wer bekommt das Geld? Meine Mutter hier?“
    „Jawohl, ja!“ lachte Watter. „Es ist ganz egal, wer es einstweilen hält; ich bekomme es nachher doch.“
    Hiller hatte diese Summe nur zufälligerweise bei sich, wie er mir später sagte, hätte aber gern tausend und noch mehr gesetzt, wenn es ihm möglich gewesen wäre. Seine Mutter bekam die vierzig Dollars in die Hand.
    Mein erster Blick war natürlich auf die Schloßbacken des Gewehres; ich sah die beiden Blumen mit dem S und dem A; es war also dasjenige unsers alten Arnos Sannel. Wie war es in die Hände seines

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