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060 - Trip in die Unterwelt

060 - Trip in die Unterwelt

Titel: 060 - Trip in die Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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wieder Schreie und Geräusche, die nicht zu deuten waren, Schritte, die immer leiser wurden, untermalt vom Stöhnen und Wimmern dieses armen Mannes, der sich in den Klauen der Sucht befand.
    Plötzlich herrschte eine lähmende, furchtbar endgültig wirkende Ruhe. Es war die Stille des Todes.
    Ich wagte wieder, mich zu bewegen. Meine Zehenspitzen suchten die oberste Sprosse der Leiter. Nachdem ich mit eigenen Augen sah, dass der lang gestreckte Raum leer war und nur mäßig verwüstet, traute ich mich nach unten. Ich blieb neben der Leiter stehen und versuchte, meine Panik zu unterdrücken. Dorian Hunter war verschwunden, von den anderen verschleppt.
    »Wohin?«, murmelte ich.
    Niemand antwortete mir. Der Sturm pfiff durch die offene Tür, packte zwei Dutzend Manuskriptblätter und wirbelte sie wie Schneeflocken durch den Raum. Dann donnerte derselbe Sturm die Tür ins Schloss.
    Ich war allein, ratlos, verwirrt, ängstlich und unsicher.
    Und dann fiel mir ein, was ich tun musste. Die Besessenen mit den glühenden Augen hatten beide Kristalle mitgenommen. Sie hatten Dorian Hunter entführt, weil seine Augen wie Feuer glühten, und weil sie ihn für mich hielten. Er würde an meiner Stelle sterben müssen. Ich musste versuchen, ihn zu retten. Ich war ein Mann, kein Feigling. Ich würde gegen diese Traumgespenster kämpfen.
    Ich riss die Tür zum Schrank auf und zog mich an. Dann folgte ich den Schreckgestalten. Sie gingen im Gänsemarsch durch die Macchia, und ich wusste ganz genau, dass dort, wo sie gingen, garantiert keine Straße war; nicht einmal ein schmaler Weg.

    Knapp zehn Uhr nachts. Der Maestrale schüttelte die Bäume. Die Büsche der Macchia duckten sich hinter die Felsen, die wie rätselhafte Tiere aussahen, wie dämonische Steinschafe, die zwischen der aufgewühlten Küste und den Hügeln lagerten. Von Korsika her trieben lang gezogene Wolken über den Himmel und teilten ihn in Streifen. Der Mond blinkte wie ein Leuchtfeuer; immer wieder verschwand er hinter den ausgefransten Wolken.
    Der Sturm packte mich und warf mich, kaum dass ich den schützenden Vorplatz verlassen hatte, halb um. Deutlich aber erkannte ich die Karawane der Verdammten.
    Es waren etwa ein Dutzend schlanke Gestalten. Sie waren entweder hell gekleidet oder nackt, und sie gingen in leichten Zickzacklinien den Hang abwärts und genau in die Richtung des Monte Mortorio, des Berges der Totenkammern.
    Dorian Hunter mit seinen lodernden Augen, in denen der irre, gespenstische Glanz der Kristalle jetzt leuchtete, folgte ihnen in etwa dreißig Metern Abstand. Es sah so aus, als ob die verschwundenen Kristalle für die Dämonen erst begehrenswert geworden wären, seit sie ihren Glanz verloren hatten. Angela hatte mich zu Recht gewarnt. Ich hatte die Kristalle niemals direkt angesehen, aber das war dem Zufall zuzuschreiben.
    Langsam und leise folgte ich der merkwürdigen Prozession. Die Besessenen hatten nicht nach mir gesucht. Dorian war ihnen freiwillig gefolgt. Also waren tatsächlich die Kristalle ihr Ziel gewesen.
    Hin und wieder fegte ein Schauer schwerer Regentropfen über die Landschaft.
    Ich wanderte immer noch auf dem messerscharfen Grat zwischen Normalität und Irrsinn. Etwas Fremdes und Unbegreifliches war in mein Leben eingebrochen.
    Die schweigende Prozession erreichte jetzt den Hohlweg, der an beiden Seiten von bizarr verkrüppelten Olivenbäumen gesäumt war. Als der Sturm sekundenlang nachließ, hörte ich das Trappeln von Füßen auf dem Kies, Sand und nassen Blättern. Dorian folgte ihnen noch immer wie eine willenlose Marionette.
    Die Prozession schlug einen Weg ein, den ich kannte. Er führte zum Fuß des Monte Mortorio. Dort gabelte er sich. Ein Pfad führte in Serpentinen hoch zu dem alten Fort auf der Spitze des Berges, der nicht höher als sechshundertfünfzig Meter war, der andere Teil des Weges schlängelte sich an einer Doppelreihe ausgewaschener Sandsteinfelsen vorbei, die wie Fabelwesen aussahen und die Zeichen früher Bronzezeitmenschen trugen. Galerie der toten Krieger nannten die Sarden diese etwa hundert Meter lange Allee. Hier waren wichtige Funde gemacht worden: Steinzeitsiedler, Glockenbecherleute, Kupferzeitspuren und jene kleinen bronzenen Figurinen, die im Museum Cagliaris stehen.
    Schweigend und zielbewusst gingen die Besessenen weiter, betraten diese steinerne Allee und verschwanden kurz aus meinem Blickfeld. Ich sah nur noch Hunter. Er folgte ihnen unentwegt, und nach wie vor machte er den Eindruck einer

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